Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
freuen. Kann mir nur recht sein.
Kurz darauf kommen wir direkt an dem Raum vorbei, wo gleich mein Geschichtskurs stattfindet.
Und wo Sam ist.
Genau deshalb habe ich Erica hierhergelotst. Sam sitzt an ihrem Stammplatz in der ersten Reihe. Mit freiem Blick auf die Tür.
Ich gehe extra etwas langsamer. Und natürlich späht Erica ins Klassenzimmer. Als sie Sam entdeckt, zwinkert sie ihr zu.
Perfekt.
Damit hätte ich für weiteren Konfliktstoff zwischen Sam und mir gesorgt. Ich habe einfach nicht genug Zeit, um abzuwarten, bis sich zwischen uns allmählich was entwickelt. Aber ich habe gelernt, dass Beziehungen an Problemen wachsen. Wie bei Romeo und Julia. Was wäre aus ihnen geworden, wenn ihre Familien nicht verfeindet gewesen wären? Zwei verliebte Teenager, die sich innerhalb kürzester Zeit nur noch anöden.
Konflikte bedeuten Spannung, Dynamik und Leidenschaft. Und deshalb bin ich mir sicher, dass ich mit meiner Strategie unsere Beziehung vorantreiben kann.
Als wir vor Ericas Kursraum stehen, sagt sie: »Du wolltest, dass Sam uns sieht, stimmt’s?«
»Kann schon sein.«
Es hat gar keinen Sinn, es abzustreiten. Sie würde es mir ohnehin nicht abkaufen.
»Macht mir nichts aus. Und weißt du auch, warum?«
»Warum?«
»Sam ist zwar ’ne coole Frau, aber mit mir bist du besser dran.«
»Wieso?«
»Weil ich dich verstehe.«
»Vielleicht versteht sie mich ja auch.«
»Sam versteht niemanden. Nicht mal sich selbst. Ich sag das nicht aus Gemeinheit. Denn ich mag sie wirklich.«
»Warten wir’s ab.«
»Na, dann viel Glück.« Sie dreht sich um und verschwindet in ihrem Kursraum.
Und ich gehe zu meinem Geschichtskurs. Sam wartet im Flur auf mich. Wahrscheinlich will sie mich zur Rede stellen.
Könnte nicht besser laufen.
»Na, war’s nett mit Erica?«
»Und wie.« Ich verdrehe die Augen.
Aber sie findet das gar nicht witzig.
»Mal hängst du dich an Erica, dann an mich. Ich werde das Gefühl nicht los, dass du uns beiden was vormachst.«
»Das mit Erica ist nur Taktik.«
»Wieso?«
»Um an dich ranzukommen.«
»Glaubst du etwa, dass mir so was schmeichelt? Im Gegenteil, mir sind solche Spielchen zuwider.«
»Mir auch.«
»Aber du machst es trotzdem. Vielleicht weißt du’s ja nicht besser.«
Darius kommt den Flur entlanggelaufen. Er ist spät dran. Als er uns sieht, bleibt er stehen.
»Gibt’s ein Problem?«, fragt er Sam.
Sie sieht mich an.
»Kann man wohl sagen. Ben hat Probleme mit der Wahrheit.«
»Achtung, wichtige Eilmeldung: ›Ben ist ein Arschloch‹«, sagt Darius.
Ich spiele den Gekränkten. »He, ich dachte, wir hätten gestern Abend Frieden geschlossen.«
»Nicht, wenn Sam mit dir ein Problem hat. Sie ist mir wichtiger.«
Der zweite Gong ertönt.
»Kommst du?«, fragt er Sam.
Er steuert auf unseren Kursraum zu und Sam folgt ihm.
»Sam. Bitte warte.«
Sie dreht sich um.
»Es tut mir leid«, sage ich zerknirscht.
»Und weiter?«
»Darius hat recht. Ich bin ein Arschloch.«
»Du verplemperst nur deine Zeit mit dem«, sagt Darius.
Sie legt die Hand auf seinen Arm.
»Schon gut.«
Grummelnd verschwindet er in der Klasse. Sam macht die Tür hinter ihm zu.
»Du bist mir wirklich ein Rätsel, Ben.«
»Wieso?«
»Ich blicke einfach nicht durch bei dir. Keine Ahnung, wer du bist oder was du willst.«
»Das ist kein großes Geheimnis. Ich bin einfach, wie ich bin.«
»Aber das ist ja das Problem. Mal bist du so und dann wieder ganz anders. Normalerweise kann ich andere sehr gut einschätzen. Ich weiß sofort, wenn mir jemand was vormacht. Aber bei dir bin ich mir nie ganz sicher.«
»Was willst du denn über mich wissen?«
»Na ja, was du so denkst. Deine politische Einstellung.«
»Meine politische Einstellung?«
»Ich bin ein ernsthafter Mensch. Und ich will mit einem ernsthaften Menschen zusammen sein.«
Zusammen sein
. Wie meint sie das?
Der Gong ertönt zum letzten Mal, aber keiner von uns rührt sich.
Ich überlege, wie ich reagieren soll. Soll ich ihr sagen, was sie hören will, damit sie mich an sich heranlässt?
Oder soll ich auf Konfrontationskurs gehen? Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an.
Hauptsache, sie verliert nicht das Interesse an mir.
»Du bist doch schon wieder am Taktieren«, sagt sie.
»Quatsch.«
»Klar, ich seh’s dir doch an. Warum sagst du nicht einfach die Wahrheit?«
Die Wahrheit.
»Okay. Die Wahrheit ist, dass ich kein politischer Mensch bin.«
»Der Rest der Welt ist dir also egal.«
»Aber meine Rolle in der
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