Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
Bibliothek um. Werden wir belauscht oder beobachtet?
Sieht nicht so aus.
»Warum interessierst du dich so für die Party, Howard?«
»Ich hab noch nie erlebt, dass Sam sich so schnell mit jemand anfreundet.«
»Hast du was dagegen?«
»Ich hab das Gefühl, dass du irgendwas vorhast.«
»Was sollte ich denn vorhaben?«
»Sie flachlegen.«
»Das würde ich nie tun.«
Stimmt nicht ganz. Wenn es der Job verlangt, würde ich alles tun.
»Dann ist’s vielleicht was anderes«, sagt Howard. »Geht’s dir um den Bürgermeister?«
Diese Unterhaltung gefällt mir nicht. Vielleicht sollte ich dafür sorgen, dass Howard auf der Toilette etwas zustößt. Würde das großes Aufsehen erregen?
Wahrscheinlich nicht.
Aber natürlich würde es an der Schule einige Aufregung geben und höchstwahrscheinlich würde die Polizei den Fall untersuchen.
Ein Unfall außerhalb des Schulgeländes wäre da allemal besser. Aber noch besser wäre es, wenn ich nicht Howard, sondern den Grund für sein Misstrauen aus der Welt schaffen würde.
»Okay, du hast mich ertappt«, sage ich.
»Es geht also um den Bürgermeister?« Er beugt sich zu mir herüber.
»Nein. Um Sex.«
»Wusste ich’s doch.« Er sieht enttäuscht aus.
»Jeder will doch mit der Tochter des Bürgermeisters ins Bett, oder?«
»Ich nicht.«
»Echt?«
»Ich find’s nicht richtig, sie anzubaggern, nur weil sie einen berühmten Vater hat. Aber das sehen die meisten hier offenbar anders.«
»Und du hast wirklich noch nie was von Sam gewollt?«
Er lächelt verlegen.
»Ich bin schon vergeben.«
»Du hast ’ne Freundin?«
Er vergewissert sich, dass uns niemand zuhört, dann winkter mich näher zu sich heran. Er klappt sein Netbook auf und tippt in rasender Geschwindigkeit auf dem Keyboard herum. Das Tempo, mit dem Howard sich durchs Web klickt, dürfte die schnellste Internetverbindung an ihre Grenzen bringen.
Keine drei Sekunden später dreht er den Bildschirm zu mir um.
Eine Animefigur sieht mich mit riesigen Kulleraugen an. Jedes Mal, wenn sie blinzelt, fliegen bunte Glitzersternchen von ihren Wimpern auf.
»Das ist Goji. Meine Freundin.«
»Goji? Wie diese chinesischen Beeren?«
»Das ist nur ihr Nickname.«
»Ähm … Deine Freundin ist eine Animefigur?«
»Quatsch, das ist doch nur ihr Avatar.« Er sieht mich an, als wäre ich total unterbelichtet. »Falls es dich interessiert. Sie ist Japanerin. Und sie existiert wirklich. He, willst du mal meinen Avatar sehen?«
Ohne meine Antwort abzuwarten, tippt er wie wild auf der Tastatur herum. Dann erscheint Howards Avatar auf dem Bildschirm.
Ich nehme jedenfalls an, dass es Howard sein soll. Wenn man von den Haaren absieht, hat die Figur keinerlei Ähnlichkeit mit ihm. So könnte Howard vielleicht nach fünf Jahren Bodybuilding und ein paar drastischen Schönheitskorrekturen aussehen.
Sein Avatar winkt Goji zu. Aus seinen Fingerspitzen schlängeln sich blaugrüne Energiewellen. Und plötzlich laufen die beiden Figuren aufeinander zu, fallen sich in die Arme und schweben auf einer Wolke aus kleinen Herzen davon.
»Sie nennt mich Fro-Fro. Wegen meinen Haaren. Du weißt schon, Afrolook.«
Goji und Fro-Fro. Niedlich. Wenn man auf so was steht.
»Wie sieht denn die echte Goji aus?«, frage ich.
Er senkt wieder den Blick. »Ich hab sie noch nie gesehen. Sie wohnt in Osaka.«
»Vielleicht besuchst du sie ja mal.«
»Ja, vielleicht«, sagt er. »Das wär schön.« Aber es klingt nicht sehr überzeugt.
Ich dachte, Howard sieht in mir einen Konkurrenten, auch wenn er bei Sam keinerlei Chancen hat. Aber ich habe mich geirrt. Er könnte sogar mein Verbündeter werden.
»Ist Sam eigentlich mit jemand zusammen?«
»Zurzeit nicht.«
»Aber da gab’s doch mal jemand, oder?«
Seine Finger fliegen wieder über die Tasten. Dann dreht er den Monitor zu mir und deutet auf eine Seite aus der
Daily News
. Die Meldung ist schon ein paar Jahre alt. Nur eine kleine Spalte ziemlich weit hinten:
LEICHE IM HARLEM RIVER GEFUNDEN
Gestern wurde die Leiche eines Jugendlichen aus dem
Harlem River geborgen. Die Polizei geht von Selbstmord aus.
»Was hat das mit Sam zu tun?«
»Der Junge war von der Bronx Science. Hat sich für Sam interessiert.«
»Und dann hat er sich umgebracht?«
»So stand’s wenigstens in der Zeitung. Aber ich glaub nicht daran.«
»Was willst du damit sagen?«
Er senkt die Stimme.
»Der Typ trifft sich ein paarmal mit Sam und dann landet er im Fluss. Ist doch strange, oder?«
Ich muss
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