Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
der größte Fehler meines Lebens.« Er deutet mit dem Kopf in den Schulkorridor. »Ich hab geglaubt, die anderen würden’s irgendwann vergessen. Haben sie aber nicht.«
»Bei manchen Fehlern ist das eben so.«
»Wie meinst du das?«
Ich denke an meinen ersten Tag im Programm. Wie Mutter mich über ihren Schreibtisch hinweg anlächelte.
»Du kannst sie nie mehr ausbügeln.«
Howard bleibt stehen.
»Wo wir gerade so offen miteinander reden. Ich würde dir gern noch was anderes sagen.«
»Nur zu.«
Er stellt sich dicht vor mich und flüstert: »Ich weiß, dass du kein richtiger Schüler bist.«
»Ach was.«
Ich mustere Howards Gesicht. Er sieht ängstlich aus.
»Jedenfalls nicht so wie wir.«
Ich lege die Hand auf seine Brust und schiebe ihn durch die Tür der Jungentoilette.
Die Toilette ist leer.
Ich schubse Howard, bis er mit dem Rücken an der Wand steht. Dann packe ich ihn am Kragen.
»Was hast du gesagt, Howard?«
»Ich glaube nicht, dass du auf der Choate warst«, antwortet er. »Zumindest nicht als Schüler.«
»Was hätte ich denn sonst dort machen sollen?«
»Leute umbringen.«
Ich könnte diese Situation in fünfzehn Sekunden beenden. Ich muss ihm nur die Halsschlagader abdrücken, aber nicht zu fest, damit es keine Blutergüsse gibt.
»Warum sollte ich denn Menschen töten?«, frage ich.
»Weil du ein Vampir bist.«
Verblüfft lasse ich sein Hemd los.
»Ein Vampir?«
»Ich habe dich beobachtet«, sagt Howard. »Du redest nicht viel. Aber von dir geht eine seltsame Energie aus. Manchmal verschwindest du irgendwie. Und du bist stärker als alle anderen hier. Du hast diese Typen fertiggemacht, als wäre es nichts.«
Ich wusste, dass es ein Fehler war.
»Es gibt keine Vampire«, sage ich.
»Für mich ist es okay, wenn du einer bist. Aber könntest du mich nicht auch zu einem machen? Bitte, Ben. Ich wäre wahrscheinlichnur ein schwacher Vampir. Aber das macht mir nichts. Solange ich stärker bin als diese Typen. Ich will mich ja nur verteidigen können.«
»Schluss jetzt«, sage ich.
Ich gehe auf die Tür zu.
»Bitte lass mich nicht allein hier!«, beschwört er mich.
Ich bleibe stehen und reibe mir frustriert die Stirn.
»Du weißt doch genau, wie’s laufen wird«, sagt er. »Diese Typen warten nur darauf, dass du von der Schule verschwindest, und dann zahlen sie’s mir heim und bringen mich um. Und du bist nicht da, um mich zu beschützen.«
»Ich kann’s nicht ändern«, sage ich.
»Doch, du kannst mich mitnehmen.«
Menschen sind kompliziert. Deshalb lasse ich mich auch nicht auf sie ein. Sie wollen Dinge von mir, die ich ihnen nicht geben kann.
»Ich hasse mein Leben«, sagt Howard. »Es ist total beschissen.«
»Es wird schon irgendwann besser«, sage ich.
Wird es wirklich jemals besser? Für Howard? Für mich?
Ich bin nicht sicher.
»Ich kann dir nützlich sein«, sagt Howard. »Brauchst du Geld?«
»Ich hab genug Geld.«
»Ich kann dafür sorgen, dass du nur Einser bekommst.«
»Brauch ich nicht. Und außerdem, wie willst du das denn hinkriegen?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich gut mit Computern umgehen kann.«
Ich denke an gestern in der Bibliothek, als Howards Finger über die Tastatur flogen. Ich glaubte, er wäre nur ein einsamer Junge, der ein Faible für Computer hat. Aber offenbar hat er mehr drauf, als ich dachte.
»Du bist also ’n richtiger Hacker?«
Er nickt. »Ich kann Websites knacken. Ich kann deine Identität löschen und dir eine neue verschaffen.«
Das macht mir Sorgen. Ich weiß nicht, wie sicher meine Tarnung im Netz ist. Normalen Recherchen hält sie wahrscheinlich stand, aber diesem ausgefuchsten Computerfreak?
Howard ist gefährlich für mich.
Oder auch nützlich.
Ich denke an gestern Abend, an meine Unentschlossenheit, die Gedanken über Schuld und Unschuld, die mir keine Ruhe ließen.
Was wäre, wenn ich beweisen könnte, dass der Bürgermeister tatsächlich was verbrochen hat?
Dann würde ich verstehen, warum man mich hierhergeschickt hat, und würde nicht länger zögern. Und ich hätte Sam gegenüber weniger Schuldgefühle.
Das Problem ist nur, dass ich keine Fragen stellen darf.
Ich kann mich nicht ans Programm wenden, um mehr über meinen Auftrag zu erfahren.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mir die nötigen Informationen selbst zu beschaffen.
Aber das würde den Prinzipien meiner Ausbildung widersprechen.
Also lasse ich es besser.
Mein Handy vibriert: eine SMS von Vater. Drei Rauten:
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Es sieht
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