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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allen Zadoff
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bezwecken?«
    »Du bist mir den ganzen Tag schon ausgewichen«, sagt sie. »Ich wollte den Spieß mal umdrehen.«
    »Warum?«
    »Also wirklich, Ben. Was war denn nun gestern Abend los?«
    »Ich war durcheinander.«
    »Weshalb?«
    Ich denke an Sam und mich in der Gästetoilette, ihre Lippen ganz dicht an meinen.
    »Meine Gefühle waren mir nicht geheuer«, sage ich.
    Sie lächelt.
    »Du empfindest also was für mich.«
    Ich wende mich von ihr ab und schlendere über den leeren Platz, werfe einen Blick auf die Säule, atme tief durch.
    »Was ist das hier eigentlich?«
    »Cleopatra’s Needle«, sagt sie.
    Ich betrachte die grünlich schwarze Steinsäule, die in den Himmel ragt.
    »Das älteste Denkmal im ganzen Park«, sagt sie. »Sogar das älteste in New York, glaube ich.«
    »Was steht da drauf?«
    »Das sind ägyptische Hieroglyphen. Die Säule heißt zwarCleopatra’s Needle, hat aber nichts mit Kleopatra zu tun. Sie ist schon tausend Jahre vor ihrer Herrschaft entstanden. Ich komme manchmal hierher, wenn ich nachdenken will. Es ist mein ganz privater Rückzugsort.«
    »Jetzt kenne ich ihn auch.«
    »Darauf kannst du dir was einbilden«, sagt sie grinsend.
    »Tu ich auch.«
    Ich gehe um den Obelisken herum. Der Stein bröckelt bereits, die Hieroglyphen sind verblasst, was ja auch kein Wunder ist. Schließlich trotzt er seit Jahrhunderten schon Wind und Wetter.
    »Wusstest du, dass ich eine doppelte Staatsangehörigkeit habe?«, fragt Sam. »Vielleicht gefällt mir dieser Obelisk deshalb so gut. Etwas so Fremdes mitten in New York, als wäre es vom Himmel gefallen. Irgendwie genauso fehl am Platz wie ich.«
    Wolken sind aufgezogen und es weht ein leichter Wind. Sie stellt sich neben mich.
    »Fragst du dich nicht auch manchmal, wo du hingehörst? Vielleicht hat der liebe Gott ja einen Fehler gemacht und dich irgendwohin verpflanzt, wo du gar nicht hingehörst.«
    Ich denke an meine richtigen Eltern. Mein erstes Leben.
    »Ja, manchmal mache ich mir darüber Gedanken«, sage ich.
    Zwischen den einzelnen Jobs. Nicht während eines Jobs.
    Nein, eigentlich habe ich noch nie darüber nachgedacht.
    Gedankenverloren starrt sie auf den Obelisken.
    »Eine Weile hatte ich Angst, dass zwischen dir und Erica was läuft, aber je besser ich dich kennenlerne, desto weniger glaube ich das.«
    Ich würde ihr gern ein paar Fragen stellen, aber ich verkneife es mir. Ich habe nur noch einen Tag und solche Gespräche verwirren mich.
    Ich muss unsere Unterhaltung in eine andere Richtung lenken. Auf ihren Vater. Auf die Zukunft.
    Irgendwas braut sich zusammen und ich muss wissen, was es ist.
    »Dein Vater hat mir alles erzählt«, sage ich.
    Sam sieht mich an.
    Ich bluffe, aber das weiß sie natürlich nicht.
    »Warum sollte er das tun?«, fragt sie.
    »Weil er sich Sorgen um dich macht.«
    Dieser Teil stimmt zumindest. Ich weiß zwar nicht, warum er sich Sorgen macht, aber ich vermute, dass Sam es weiß.
    »Man hat ihn gefragt, ob er Sonderbotschafter für den Nahen Osten werden will«, sagt sie.
    Sie lässt sich auf den Sockel des Obelisken fallen.
    Ich denke an den Schatten und seine Männer. Sie haben Arabisch gesprochen. Ist es möglich, dass der Bürgermeister irgendwie mit ihnen zusammenarbeitet? Sind sie deshalb hinter mir her?
    »Und? Macht er’s?«, frage ich.
    »Er überlegt noch. Ich hab ihm gesagt, dass er wieder die Leitung seiner Firma übernehmen soll, aber er meint, er hätte mehr als genug Geld verdient. Er will in der Politik bleiben.«
    »Als Botschafter kann er das ja.«
    »Aber er zerstört mein Leben.«
    »Wieso zerstört er dein Leben?«
    »In Israel sind fürchterliche Dinge passiert, Ben. Ich will nicht dahin zurück.«
    Ein Regentropfen trifft mich an der Stirn.
    »Es fängt an zu regnen«, sagt sie. »Wenn wir uns beeilen, schaffen wir’s noch zur Schule.«
    Sie schaut zum Himmel. Er ist jetzt voller schwarzer Wolken. Der Wind hat aufgefrischt.
    »Wo wohnst du eigentlich?«, fragt sie.
    »98th Street.«
    »Die Schule ist näher.«
    »Stimmt«, sage ich, während die Tropfen in Nieselregen übergehen. »Aber wir werden so oder so nass.«
    »Heißt das, dass du mich zu dir einlädst?«
    »Scheint so«, sage ich und laufe los.
    Einen Augenblick lang fürchte ich, dass sie mir nicht folgt. Aber dann höre ich ihre patschenden Schritte hinter mir. Kurz darauf hat sie mich eingeholt.
    »Diesmal läufst du mir nicht weg«, sagt sie.
    »Das hatte ich auch nicht vor«, erwidere ich.
    Wir rennen zusammen durch den

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