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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allen Zadoff
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Regen, springen über Pfützen und weichen Autos aus.
    Wir laufen Richtung Uptown. Zu meiner Wohnung.

Sam steht im Wohnzimmer und rubbelt sich mit einem Handtuch die Haare trocken.
    »Ich bin klitschnass«, sagt sie. »Hast du vielleicht einen Bademantel oder so was?«
    Ich betrachte sie, wie sie vor mir steht, ihre nassen Sachen kleben ihr am Körper.
    »Hallo?«, sagt sie.
    »Entschuldige. Ich seh mal nach.«
    Ich habe keine Ahnung, ob ich einen Bademantel besitze. Ich durchsuche den Kleiderschrank in meinem Zimmer. Dann entdecke ich einen an einem Haken an der Wand. Das Programm denkt wirklich an alles.
    Nein, nicht an alles. An Sam haben sie nicht gedacht, als sie mir einen Bademantel hinhängten.
    Ich gehe zurück ins Wohnzimmer, wo Sam inzwischen den Gaskamin angemacht hat. Sie steht davor und wärmt sich.
    »Ich bin am Erfrieren«, sagt sie.
    Sie nimmt mir den Bademantel aus der Hand.
    »Dreh dich um«, sagt sie.
    »Das Bad ist   … «
    »Nicht nötig.«
    Sie gibt mir ein Zeichen, mich umzudrehen.
    Während ich die Wand anstarre, zieht Sam sich hinter mir aus.
    »Ich hab noch mal über meinen ersten Tag an der Schule nachgedacht«, sage ich über die Schulter.
    »Das ist ja ewig her.«
    »Drei Tage.«
    »Es kommt mir vor wie zehn Jahre.«
    Ich höre, wie nasse Kleider auf den Boden klatschen.
    »Und?«, fragt Sam.
    »Ich hab mich gefragt, warum du nach dem Geschichtskurs zu mir gekommen bist.«
    »Du hast mich interessiert. Ich wollte dich näher kennenlernen.«
    »Willst du jeden neuen Schüler näher kennenlernen?«
    »Nur die süßen. Du kannst dich jetzt wieder umdrehen.«
    Als ich mich umwende, posiert Sam wie ein Model. Sie hat den Bademantel in der Taille eng geschnürt, ihr feuchtes Haar ist glatt zurückgekämmt, die Beine nackt.
    »Und? Wie sehe ich aus?«, fragt sie.
    »Ich finde, du solltest öfter Bademäntel tragen.«
    Sie lacht. Die Flammen des Kamins flackern zu ihren Füßen.
    Sie spaziert im Wohnzimmer herum, berührt eins der Fotos auf dem Beistelltisch.
    »Du hast gesagt, du hättest kaum Fotos«, sagt sie.
    »Ich hab ja auch nur ein paar.«
    »Sind das deine Eltern?«, fragt sie.
    »Glaub schon. Ich sehe sie nie.«
    »Du Glücklicher.«
    »Ich dachte, du wärst so pro-Eltern eingestellt.«
    »Ich hab dir was vorgemacht.«
    »Aber du hast doch ein echt gutes Verhältnis zu deinem Vater.«
    »Stimmt. In der Öffentlichkeit.«
    »Privat auch. Ich hab’s selbst gesehen.«
    »Wenn du uns gesehen hast, kann’s ja wohl nicht so privat gewesen sein, oder? Glaubst du wirklich, dass ein Politiker sein wahres Gesicht zeigt, nur weil du bei ihm zu Hause bist? Ziemlich naiv, Ben.«
    »Warum bist du so sauer?«
    »Ich hab meine Gründe.«
    Sie zwingt sich zu einem Lächeln, aber es ist so, als würde sie eine Maske aufsetzen. Ich habe das schon öfter bei Menschen, die im Rampenlicht stehen, erlebt. Echte Gefühle werden hinter falschen verborgen.
    Das kenne ich auch von mir selbst. Aber schließlich habe ich in meiner Ausbildung gelernt, keine Emotionen zu zeigen.
    Sie berührt noch mal das Foto mit meinen Eltern darauf und setzt dann ihre Wanderung durch die Wohnung fort.
    »Deine Bude sieht ja ziemlich unbewohnt aus«, sagt sie.
    »Wir haben einen super Reinigungsservice. Außerdem bin ich selten zu Hause.«
    »Armer Benjamin. Es muss schwer sein, so ganz allein in einer großen Wohnung   … «
    »Das macht mir nichts aus«, sage ich.
    »Wir sind beide in einem Leben gefangen, das wir uns nicht ausgesucht haben.«
    »Du vielleicht.«
    Ich beobachte sie, wie sie durch die Wohnung schlendert, sich aufmerksam umsieht.
    Es behagt mir nicht, dass sie alles genau unter die Lupe nimmt, fast wie bei einer Hausdurchsuchung. Ist das immer so, wenn man ein Mädchen zum ersten Mal mit zu sich nach Hause nimmt?
    Sam stellt sich neben mich. »Ich weiß alles über dich«, sagt sie.
    »Was denn genau?«
    Ich beobachte ihr Gesicht im zuckenden Feuerschein, versuche herauszufinden, ob sie mir auf die Schliche gekommen ist.
    »Ich weiß, dass du in diesem System gefangen bist«, sagt sie. »Du bist in deinem Denken gefangen. Und ich kenne zwar deine Eltern nicht, aber wenn sie dich auf eine Schule wie unsere schicken, dann bist du auch in ihren Erwartungen an dich gefangen.«
    »Du übertreibst«, sage ich.
    »Nenn mir irgendetwas, was du aus freiem Willen getan hast, eine Entscheidung, die du allein getroffen hast.«
    Im Gegensatz zu normalen Teenagern treffe ich alle meine Entscheidungen selbst. Keiner

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