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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allen Zadoff
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auf mich zu, hält die Spritze dicht am Körper. Das ist geschickt, denn so verhindert er, dass ich sie ihm aus der Hand schlage. Es könnte ja sein, dass ich mich inzwischen irgendwie befreit habe.
    »Die Absicherung bin ich. Wenn du versagst, sorge ich dafür, dass das Programm keinen Schaden erleidet.«
    Er überprüft das Klebeband an meinen Füßen, ohne mir dabei zu nah zu kommen.
    »Und du hast schon mal versagt. Der große Zach Abram hat versagt. Unglaublich, aber wahr.«
    Als ich meinen Namen höre, überläuft es mich kalt. Ich muss an meinen Vater denken. Joseph Abram.
    Professor Abram.
    Mike steht jetzt hinter mir.
    So wird es enden. Still und leise.
    »Hast du dir diesen Moment schon mal vorgestellt?«, fragt er.
    Das Ende.
    Ich habe nicht geglaubt, dass es ein Ende geben würde. Nicht für mich.
    Ich habe mir einen anderen Moment vorgestellt. Den Moment, in dem ich Mike wiedertreffen würde. Ich hätte nie gedacht, dass unsere Begegnung so verlaufen würde.
    »Ich hab mir schon mal überlegt, wie es wäre, auf diesem Stuhl zu sitzen«, sagt Mike. »Ich weiß nicht, ob ich’s scheiße fände oder   … «, er atmet langsam aus, »   … oder ob es eine Erleichterung wäre, einfach alles hinter sich zu lassen.«
    Er reibt sich das Gesicht.
    »Du hast wahrscheinlich noch nie über diese Dinge nachgedacht. Für dich ist das Ganze noch aufregend, stimmt’s? Rumrennen und Soldat spielen. Aber ich bin ja auch ein bisschen älter als du.«
    Wie alt mag Mike wohl jetzt sein? Vielleicht Anfang zwanzig. Schwer zu sagen. Sein Gesicht wirkt je nach Blickwinkel völlig anders. Mal sieht er aus wie ein kleiner Junge, mal wie ein alter Mann.
    »Scheiße«, murmelt er. »Tut mir wirklich leid, dass ich das tun muss.«
    Er holt tief Luft, genauso wie wir es gelernt haben.
    Einen Moment lang passiert nichts, dann spüre ich den Druck von Mikes Knöcheln an meinem Nacken.
    Es hat etwas Intimes, seine warmen Finger an dieser empfindlichen Stelle zu spüren. Ich weiß, dass sie die Spritze halten. Wenn er den Kolben runterdrückt, bin ich nach wenigen Atemzügen tot.
    Ich werde nicht betteln, auch nicht weinen. Ich werde ihmnicht die Genugtuung geben, ihn anzuflehen. Ich werde auch Gott nicht anflehen, den ich kaum kenne. Ich werde mich an keine der Instanzen wenden, die man anruft, wenn man verzweifelt ist.
    Ich atme langsam aus – und wieder ein.
    Was wird mein letzter Gedanke sein?
    Werde ich Mike verfluchen? Oder Mutter?
    Nein. Ich werde an etwas anderes denken.
    An meine Eltern. Meine richtigen Eltern.
    Ich sehe sie genau vor mir. Nicht an jenem letzten Tag, auch nicht in den Monaten davor, als die Stimmung schon getrübt war.
    Ich erinnere mich an die Zeit davor.
    Mein Vater lächelt, er hat die Arme um meine Mutter gelegt. Sie stehen in der Küche unseres Hauses in Rochester und sehen sich glücklich in die Augen.
    Als sie mich bemerken, strecken sie die Arme nach mir aus.
    Eine Umarmung zu dritt.
    Das wird mein letzter Gedanke sein.
    »Mutter weiß nicht, was gerade im Park passiert ist«, flüstert Mike mir ins Ohr. »Sie weiß es nicht, weil ich ihr nichts erzählt habe.«
    Die Knöchel seiner Hand verharren auf meinem Nacken. Ich spüre, wie er mir mit der anderen Hand etwas Kaltes, Flaches zwischen Daumen und Zeigefinger schiebt.
    Er nimmt die Hand von meinem Nacken.
    »Ich denke, ich schulde dir was, Zach.«
    Er steht jetzt vor mir. Wir sehen uns an.
    »Bring den Job zu Ende, und alles ist wieder okay.«
    Ich rühre mich nicht, zucke nicht mal mit der Wimper. Verrate mit keiner Miene, was in mir vorgeht.
    »Wenn du es nicht für das Programm tun willst«, sagt er, »dann tu’s für deinen Vater.«
    Was meint er damit? Mein Vater ist tot.
    Das ist eine Lüge. Ein mieser Trick.
    Ich folge Mike mit den Augen. Ich beobachte seine Mimik, seine Körperhaltung, aber da ist nichts, was darauf hindeutet, dass er lügt.
    Er tritt aus meinem Gesichtsfeld, jetzt höre ich nur noch seine Stimme.
    »Du erinnerst mich sehr an ihn. Bestimmte Gesten   … «
    Seine Schritte verhallen in der Dunkelheit.
    »Er lebt, Zach. Dein Vater lebt. Verstehst du, was ich sage?«
    Ich höre, wie irgendwo eine Tür geöffnet wird.
    »Bring den Job zu Ende«, sagt er noch einmal.
    Und dann ist er weg.
    Ich versuche zu ertasten, was er mir zugesteckt hat. Es ist ein Stückchen Metall, so groß wie eine Briefmarke. Nicht besonders scharf, aber scharf genug, um damit das Klebeband zu durchtrennen.

Als ich auf die Straße trete, ist es

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