Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
sieht mich entgeistert an.
»Hör nicht auf ihn«, sagt Gideon. »Es geht nicht um deinen Vater.«
Es geht also um den Premierminister.
Und Sam hat es offenbar nicht gewusst. Das würde bedeuten, dass sie von der ganzen Aktion hier nichts gewusst hat. Zumindest scheint sie nicht in die Details eingeweiht zu sein. Aber immerhin hat sie die Notfallpläne in den Blog gestellt.
Und ihm mein Foto geschickt.
»Ich dachte, du wärst Israeli«, sage ich.
»Und darauf bin ich stolz.«
»Warum hast du’s dann auf deinen eigenen Landsmann abgesehen?«
»Ich führe nur Befehle aus. Genau wie du, nehm ich an.«
»Und von wem bekommst du die?«
»Von meinen Auftraggebern. Und die bekommen sie von ihren Auftraggebern. Du weißt doch, wie so was funktioniert.«
Er sieht Sam an. »Hast du nicht gesagt, dass er clever wäre?«
Sam sieht auf den Boden.
»Aber deine Männer tragen Masken und sprechen Hebräisch und Arabisch«, sage ich.
»Das ist ja das Geniale. Irgendwo in Queens treten Polizisten gerade eine Tür ein. Sie werden in der Wohnung Beweise für eine Terrorzelle finden. Und diese Zelle ist für den Anschlag heute Abend verantwortlich.«
»Ach, deshalb macht ihr hier unten einen auf Halloween. Ihr wollt, dass es nach Terrorismus aussieht.«
»Du musst zugeben, dass die Idee was Bestechendes hat.«
Er dreht sich zu Sam um und berührt ihre Wange.
»Du solltest jetzt wirklich gehen«, sagt er. »Dieser Typ ist nicht der, für den er sich ausgibt. Man hat ihn hergeschickt, damit er dich ausschaltet.«
Sie sieht mich ungläubig an.
»Ist das wahr, Ben?«
Ist das wahr?
Ja, aber ich bin vom Plan abgewichen.
Ich kann ihr das jetzt unmöglich erklären. Also sage ich lieber gar nichts.
»Siehst du?« Gideon grinst.
Er tritt zur Seite, sodass Sam und ich uns direkt gegenüberstehen.
»Ich wollte nicht, dass es so weit kommt«, sagt sie. »Ich hab versucht, dich zu warnen. Ich wollte verhindern, dass du herkommst.«
»Du kannst das Ganze immer noch stoppen«, sage ich.
»Kann ich nicht.«
»Ich glaub nicht, dass du von dem Anschlag heute Abend gewusst hast.«
Ich strecke die Hand nach ihr aus, aber sie rührt sich nicht von der Stelle.
»Mag sein. Aber dafür hab ich andere Dinge gewusst. Ich stecke zu tief drin, Ben. Ich kann nicht mehr zurück.«
»Warum machst du überhaupt bei denen mit?«, frage ich.
»Ich tu’s für meine Mutter. Und für das Land, das sie so geliebt hat.«
Sie lächelt mich traurig an.
Dann geht sie hinaus.
Im selben Moment registriere ich links von mir eine schnelle Bewegung.
Gideon ist hinter den Metallspinden verschwunden. Als ich ihm nachlaufe, sehe ich, dass dort die Öffnung zu einem Versorgungsschacht ist.
Wahrscheinlich will er zum Schutzraum. Mittlerweile wird der Premierminister dort angekommen sein. Und der Bürgermeister.
Ich sehe zu der Stelle hinüber, wo eben noch Sam gestanden hat.
Ich habe ihr nicht die Wahrheit gesagt. Mein Auftrag besteht nicht darin, Gideon aufzuhalten.
Er besteht darin, Sam aufzuhalten.
Ich muss an den Bürgermeister denken, an unsere Gespräche. Er hat mir vertraut und mich an seinem Leben teilhaben lassen.
Eigentlich sollte mir das egal sein.
Er
sollte mir egal sein. Er ist schließlich nicht mein Zielobjekt. Und es ist auch nicht mein Job, ihn zu beschützen.
Aber er ist in Gefahr. Und der Premierminister auch.
Falls es bei meinem ursprünglichen Auftrag darum ging, einen Anschlag auf den Premierminister zu verhindern, hätte ich jetzt noch die Chance, einzugreifen.
Aber ist es wirklich das, was das Programm will? Ich weiß es nicht.
Ich kann nur meiner Intuition folgen.
Sam ist im Flur verschwunden. Und Gideon im Versorgungsschacht, um den Premierminister zu töten.
Und wohin gehe ich?
Ich treffe eine Entscheidung.
Ich folge Gideon.
Das Geräusch ist kaum zu hören.
Das Klicken eines Schalters, als ich die über den Boden gespannte Angelschnur am Eingang des Schachts mit dem Fuß berühre.
Kaum wahrnehmbar und doch laut genug, dass ich es höre.
Es ist zu spät, um den Mechanismus zu stoppen, aber nicht zu spät, um mich auf den Boden zu werfen und dicht an die Wand zu drücken. Dann spüre ich hinter mir die Explosion. Ein Feuerball. Metallsplitter prallen von der Betonwand dicht über meinem Kopf ab.
Obwohl ich versuche, mich gegen die Wucht der Detonation zu wappnen, presst mich die Druckwelle mit Gewalt zu Boden, nimmt mir einen Moment lang den Atem. Auf das Krachen folgt eine gespenstische Stille. Meine
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