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Boys Dont Cry

Boys Dont Cry

Titel: Boys Dont Cry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malorie Blackman
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Ordnung.«
    »Keine Sorge, Dante. Irgendwie kriegen wir das schon hin«, sagte sie und bot mir ihren Mund zu einem Kuss. Als ich sie küsste, musste ich unwillkürlich daran denken, ob dies wohl das letzte Mal sein würde. Sie und ich würden bald in zwei verschiedenen Welten leben.
    Ich ging ins Haus. Die Kühle und Stille im Flur taten gut. Nachdem ich Emma aus dem Buggy befreit hatte, trug ich sie direkt nach oben und schloss meine Zimmertür fest hinter mir. Ich nahm einen Abstrich von ihrer Wangenschleimhaut und machte das Gleiche bei mir. Dann legte ich die Wattetupfer so auf meinen Schreibtisch, dass jeweils ein Drittel davon in die Luft ragte, damit sie gut trocknen konnten. Emma saß derweil auf dem Teppich und las, oder besser gesagt, erkundete eines ihrer Bilderbücher. Ich setzte mich aufs Bett und beobachtete sie, während ich darauf wartete, dass ich mein altes Leben wieder zurückbekam.
    Kurz blickte Emma zu mir hoch und lächelte, ehe sie sich wieder ihrem Buch zuwandte. Als ich ihr so zusah, versuchte ich zu ergründen, was genau ich empfand. Aber ich gab auf. Die Gedanken und Gefühle, die mir durch den Kopf schwirrten, waren viel zu durcheinander, um sie zu entwirren.
    Als die Wattetupfer trocken waren, legte ich sie in die richtigen Umschläge und klebte diese zu. Dann steckte ich sie in den Rücksendeumschlag. Zeit für einen zweiten Spaziergang. Nur noch kurz die Hände waschen, dann würden wir das erledigen.
    Im Bad starrte ich mich im Spiegel über dem Waschbecken an. Bildete ich mir das nur ein oder war mein Gesicht tatsächlich schmäler geworden? Ich aß nicht mehr regelmäßig. Ich nahm nur hier und da einen Happen zu mir, wenn Emma ihr Schläfchen hielt. Und wenn sie abends im Bett lag, war ich zu geschafft, um noch was zu essen. Auf ein Kind aufzupassen, war ein Job rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Es blieb kaum noch Raum für irgendetwas anderes. Gerade als ich mir die Hände abtrocknete, beschlich mich ein eigenartiges, dumpfes Gefühl. Meine Zimmertür … die hatte ich doch zugemacht, oder? Ich trat auf den Treppenabsatz. Emma krabbelte auf die Treppe zu, nur noch eine Sekunde von der obersten Stufe entfernt.
    » Emma! «
    Emma drehte sich zu mir, doch ihre Hände befanden sich bereits über der obersten Stufe, und der Schwung würde sie nach unten ziehen.
    »EMMA!« Ich hatte noch nie in meinem Leben so laut gebrüllt und so schnell reagiert.
    Emma schrie auf, ihr Körper kippte bereits nach vorne. Ich schnappte sie – in letzter Sekunde. Und es war reines Glück, dass ich nicht mit ihr auf dem Arm das Gleichgewicht verlor und die Treppe hinunterstürzte. Emma brüllte jetzt wie am Spieß – und ich konnte es ihr weiß Gott nachfühlen.
    »EMMA, TU DAS NIE WIEDER!«
    Da heulte sie noch lauter. Es war nicht gerade hilfreich, aber ich musste schreien, um meinen dröhnenden Herzschlag zu übertönen. Mir war schlecht. Mein Blut hatte sich in reines Adrenalin verwandelt, damit ich sie noch rechtzeitig zu fassen bekam, doch jetzt war mir körperlich übel. In meinem Kopf wirbelten Bilder herum, was hätte passieren können – und das alles nur, weil ich meine Zimmertür nicht ganz zugemacht hatte. Ich sank mit weichen Knien zu Boden, Emma immer noch im Arm. Langsam wiegte ich mich vor und zurück, während ich frische Luft in meine Lungen saugte.
    »Es tut mir leid, Emma. Es tut mir leid«, sagte ich leise. Die Worte kamen aus tiefstem Herzen. Es war nicht ihre Schuld. Schließlich hatte ich die Tür offen gelassen. Ich drückte sie noch fester an mich. »Es tut mir leid.«
    Das tat es wirklich und nicht nur wegen der offenen Tür.
    Das eben hatte mich fünf Jahre meines Lebens gekostet.
    Wie Dad immer gesagt hatte, wenn Adam und ich früher irgendeinen Unfug angestellt hatten und Dad es wieder hinbiegen musste: » Das hat mich wieder fünf Jahre meines Lebens gekostet .« Den Spruch ließ er jedes Mal los, sobald er nicht mehr brüllte.
    Und zum allerersten Mal verstand ich genau, was Dad damit meinte.
    »Was ist da oben los? Was soll das Geschrei?« Dad kam aus der Küche.
    »Nichts, Dad.« Ich stand auf, noch immer mit zittrigen Knien.
    Dad legte die Stirn in Falten. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, alles bestens.«
    Mit Emma auf dem Arm ging ich zurück in mein Zimmer. Ich musste so bald wie möglich für oben ein Treppengitter besorgen. Das würde zwar ein beträchtliches Loch in meine Ersparnisse reißen, aber so etwas wollte ich auf keinen Fall noch einmal erleben. Der

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