Boys Dont Cry
Lust am Feiern vergangen«, entgegnete Collette.
Wir tauschten einen vielsagenden Blick. Ich lächelte entschuldigend.
»Hat man über mich geredet, nachdem ich weg war?«
»Nicht viel.« Auf mein schiefes Lächeln hin meinte Collette lachend: »Na schön, du wurdest … erwähnt.«
»Da wette ich drauf.«
»Ein paar Leute waren überrascht, dass du ein Kind hast. Stille Wasser sind eben tief, haben sie gemeint. Logan hat verkündet, es zeige wenigstens, dass du nicht mit Platzpatronen schießt, du müsstest nur noch besser zielen lernen – aber von ihm war ja nichts anderes zu erwarten. Lucy hielt das Ganze für einen Witz und Josh … ach, vergiss es.«
»Nein, raus damit. Was hat Josh gesagt?«
Collette trat von einem Fuß auf den anderen, sie konnte und wollte mir nicht in die Augen schauen.
»Collette, was hat er gesagt?«
»Nichts weiter. Er hat bloß so eine Bemerkung über dein Kind und deinen Bruder fallen lassen.«
»Was für eine Bemerkung?« Sie ließ sich wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen.
Erst als Emma zu quengeln anfing, merkte ich, dass ich aufgehört hatte, sie anzuschubsen. Sofort fing ich wieder an.
Collette seufzte. »Er sagte, mehr Nähe als jetzt zu Emma würde Adam wohl nie mit einer Vertreterin des anderen Geschlechts erleben. Aber keine Angst, Adam hat ihm gründlich die Meinung gegeigt.«
»Josh hat Adam das ins Gesicht gesagt?«, fragte ich scharf.
»Adam ist an unserem Tisch vorbeigegangen und da hat Josh angefangen. Du weißt ja, wie er ist, wenn Logan ihn anstachelt. Aber Adam hat’s ihm schon gezeigt.«
Verdammt. Genau vor so etwas hatte ich Angst.
»Mach dir keine Sorgen. Adam ist absolut in der Lage, auf sich selbst aufzupassen.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich.
Adam hatte ein ziemlich scharfes Mundwerk, und bei Wortgefechten konnte ihm keiner das Wasser reichen. Aber nicht alle Gefechte wurden mit Worten ausgetragen. Ich würde mich mal ernsthaft mit ihm unterhalten müssen. Ich kapierte wirklich nicht, warum sich mein Bruder und Josh so spinnefeind waren. Sie hatten einen ähnlichen Humor, waren beide selbstbewusst und uns anderen immer um mindestens eine Nasenlänge voraus. Woher kam also die Abneigung?
Ich erinnerte mich an eine Schulfahrt nach Paris, als wir vierzehn waren. Auf dem Rückweg von irgendeinem Museum zum Hotel erzählte uns unsere Lehrerin Mrs Caper, dass es mit der nächsten Straße etwas ganz Kurioses auf sich habe. Aus unerfindlichen Gründen ändere sich nämlich bei jedem, der durch diese Straße fuhr, die Farbe der Zehen. Tja, das wollte sich natürlich niemand entgehen lassen. In heller Aufregung fingen alle im Bus an, sich Schuhe und Socken auszuziehen – ich eingeschlossen –, und ihre Füße zu begutachten.
Alle außer Josh.
»Tatsächlich, es stimmt, meine Zehen sind orange!«, sagte jemand – ich glaube, es war Ben.
»Du Schwachkopf!« Josh stieß mich in die Seite. Ich saß immer noch vorgebeugt und besah mir meinen großen Zeh.
»Hä?«
»Schau mal aus dem Fenster!«, sagte Josh.
Verwirrt setzte ich mich auf und tat es. Im nächsten Augenblick bekam ich Stielaugen und glotzte nur noch. Sexshops in Hülle und Fülle! Durch den Anblick dieser Schaufenster lernte ich mehr als auf der ganzen restlichen Fahrt. Ich sah mich im Bus um. Alle außer mir und Josh – und den Lehrern – begutachteten ihre Zehen.
»Mrs Caper wollte nur nicht, dass wir aus dem Fenster schauen und die ganzen Sexshops sehen«, erklärte Josh und bestätigte damit, was mir gerade erst aufgegangen war.
»Meine Zehe ist blau! Meine Zehe ist blau! Es funktioniert tatsächlich!«, rief Paul.
Josh und ich lachten uns krumm. Noch jetzt musste ich bei der Erinnerung daran breit grinsen. Und als ich am Abend Adam die Geschichte erzählt hatte, kam er im Nu auf die Pointe. Er erriet sofort, dass es sich um einen Trick von Mrs Caper gehandelt hatte, damit wir nicht aus dem Fenster sahen. Wie gesagt, immer allen um eine Nasenlänge voraus.
»Dante, was ist, wenn …« Collettes Stimme holte mich jäh wieder in die Gegenwart zurück.
»Ja?«
»Wenn Melanie überhaupt nicht mehr zurückkommt?«
»Ich hab wirklich keine Ahnung«, antwortete ich.
Schweigen.
»Dante, was stimmt mit mir nicht?«, fragte Collette leise.
Was? »Was meinst du damit?«
Collette holte tief Luft. »Wie kommt es, dass du mit Melanie ein Kind hast und mit mir nie mehr wolltest als knutschen oder fummeln?«
Ich starrte sie an. War das eine ernsthafte Frage? Collette,
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