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Boys Dont Cry

Boys Dont Cry

Titel: Boys Dont Cry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malorie Blackman
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Umschlag mit den Wattetupfern starrte mich vom Bett aus höhnisch an. Ich setzte mich daneben und wiegte Emma im Arm, bis sie sich ganz beruhigt hatte. Dann schnappte ich mir den Umschlag und machte mich auf die Socken.
    Keine Pannen mehr, keine Fehler.
    Kaum eine Minute später saß Emma wieder in ihrem Buggy und ich schob sie zum nächsten Briefkasten. Aber als ich davorstand, zögerte ich aus irgendeinem unerfindlichen Grund. Ich sah hinunter zu Emma, die versuchte, ihre Zehen in den Mund zu stecken. Dann blickte ich auf den braunen frankierten DIN-A-5-Umschlag in meiner Hand.
    Noch immer zögerte ich.
    Was zum Teufel war los mit mir?
    »Hier geht es nicht um sie oder mich«, sagte ich mir. »Hier geht es um die Wahrheit.«
    Und ich hatte bereits zu viel Geld in diese Sache gesteckt, um jetzt noch zu kneifen. Ich zwang mich, nicht an den Inhalt des Buggys, sondern nur an den Umschlag in meiner Hand zu denken, und steckte ihn in den Briefkastenschlitz.
    Ich tat das Richtige.
    Oder etwa nicht?

26 DANTE
    An diesem Abend wollte Emma einfach nicht zur Ruhe kommen. Wahrscheinlich machten ihr immer noch ihre Zähne Kummer, und das hieß, dass Emmas Zähne allen Kummer machten. Ich rieb ihr Zahnfleisch an den harten Stellen, wo die beiden unteren Zähne durchbrachen, mit Zahnungsgel ein, aber viel schien das nicht zu helfen. Ich wiegte sie, ich lief mit ihr auf und ab, ich hob sie über den Kopf, ich probierte es sogar mit meinen Lieblingsliedern, die ich ihr leise vorspielte, um sie einzulullen – aber nichts, wirklich gar nichts half. Und zudem hörte das Telefon nicht auf zu läuten. Ich hatte auf keine der auf dem Handy hinterlassenen Nachrichten oder SMS reagiert, woraufhin meine Freunde dazu übergegangen waren, mich auf dem Festnetz anzurufen. Nachdem Dad die fünfte Nachricht entgegengenommen hatte, wurde er allmählich ungehalten.
    »Dante, ich bin nicht dein Privatsekretär«, erklärte er. »Nächstes Mal gehst du selber ran.«
    Und dann klingelte es zu allem Überfluss auch noch an der Tür. Da ich sowieso schon stand und Emma wiegte, ging ich aufmachen, bevor Dad oder Adam sich auch nur erheben konnten.
    Es war Tante Jackie.
    Verdammt! Die Buschtrommeln waren schnell. Kaum hatte ich die Tür geöffnet und sie gesichtet, rutschte mir das Herz in die Hose. Beim Anblick meiner Tante heulte Emma noch lauter. Sie hatte ein gutes Gespür.
    Wenn ich meine Tante sah, überkam mich immer – Wehmut wahrscheinlich. Sie und meine Mum waren Zwillinge gewesen, wenn auch keine eineiigen. Trotzdem glaubte ich bei ihrem Anblick jedes Mal, Mum stehe vor mir. Doch beim Aussehen hörten ihre Ähnlichkeiten auch schon auf. Mum war Honig gewesen, meine Tante war Essig. Mum hatte immer ein Lächeln auf den Lippen gehabt. Meine Tante hingegen zog die Mundwinkel nur nach oben, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden ließ. Und nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, würde ich es gleich knüppeldick abkriegen.
    Tante Jackie bedachte Emma mit einem vielsagenden Blick. »Wie ich sehe, bin ich richtig informiert. Du bist ein fleißiger Junge gewesen.« Damit stieg sie ein – ein verbaler Kinnhaken, der saß. Dann klopfte sie sich an die Wange. Widerstrebend verpasste ich ihr einen Kuss, auf den unser übliches Ritual folgte. Ich trat nämlich blitzschnell den Rückzug an, bevor sie mich ihrerseits küssen konnte. Emma wand sich in meinen Armen. Voller Panik, sie fallen zu lassen, versuchte ich sie auf dem Boden abzusetzen, aber daraufhin brüllte sie noch lauter. Mit einem Seufzer legte ich sie mir wieder an die Schulter. Tante Jackie bedachte Emma mit einem langen, eingehenden Blick, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder mir zuwandte.
    Jetzt kommt’s , dachte ich und wappnete mich.
    »Kannst du das Wort ›Verhütung‹ nachsprechen, oder bist du mit so vielen Silben überfordert?«
    Rechter Haken an die Schläfe.
    »Hallo, Tante Jackie«, sagte ich matt. Ich bezweifle, dass sie mich überhaupt hörte, so laut, wie Emma weinte, aber das war vermutlich auch besser so. Mein Tonfall war verräterisch.
    »Ich habe dich wirklich für vernünftiger gehalten«, erklärte meine Tante.
    Magenschwinger mit der Linken.
    »Aber wie bei neunundneunzig Prozent der Männer reicht das Blut in deinen Adern nicht, um Gehirn und Pimmel gleichzeitig zu versorgen.«
    Mein Blut wurde zu Lava, und jetzt brannte nicht nur mein Gesicht vor Verlegenheit, sondern mein ganzer Körper.
    Glattes k.o. Ich war am Boden.
    »Hmmm, gib sie mir mal.« Tante Jackie

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