Bradshaw Gillian - Artus 02
leiten, besonders in diesen Zeiten. Und es ist nichts Kleines, eine Hofhaltung gut zu führen.«
»Aber ich will nach Camlann«, sagte ich. »Das ist eine größere Sache. Es ist die größte Sache in ganz Britannien, und ich will Anteil daran haben. Ich will Gott dienen…«
»Das kannst du überall tun.«
»Aber in Camlann auf eine ganz besondere Weise.«
»Sie werden unterliegen«, sagte mein Vater mit zitternder Stimme, aber noch immer ruhig und zornig. »Sie versuchen, die Finsternis zu bekämpfen, obwohl sie zuviel Finsternis in sich selbst tragen. Nicht Gawain, auch nicht der Pendragon. Aber glaubst du, die Familie besteht nur aus solchen Männern? Im großen und ganzen kümmern sich die Krieger nicht um die Zivilisation oder um das Licht – o ja, ich weiß, wohinter du her bist. Ich habe den Drang selbst verspürt – aber Krieger, die wollen Beute und Ruhm. Die Zivilisation ist hier, in der Ordnung und dem Frieden dieses Hofes, und nicht in Camlann. Schau dir Gawain an. Er ist ein guter Mann, empfindsam und ehrenhaft, aber selbst in einer so guten Truppe wie der von Artus ist er in ein Verbrechen hineingezogen worden und quält sich jetzt mit Mißtrauen und Zweifeln. Wenn er sich seinem Land und seinem Clan geschenkt hätte, wenn er dort alles in Ordnung gehalten hätte und wenn der Pendragon das gleiche getan hätte, dann hätten wir einen Ort schaffen können, wo dieses Verbrechen nie geschehen wäre.«
»Aber die Sachsen hätten den Hof zerstört«, sagte ich. »Vater, ich muß weg. Vielleicht hast du recht, aber ich muß trotzdem weg.«
Er sprang auf. Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich. »Bedeuten wir dir so wenig?«
»O nein, nein.« Ich konnte kaum sprechen, und es war mir schrecklich, daß ich trotz allem immer noch so sehr den Drang verspürte zu gehen. »Ihr bedeutet mir soviel. Aber ich muß gehen. Gib mir deinen Segen auf die Reise.«
Er schaute mir ins Gesicht, und ich sah ihn an. Er hatte ein starkes, kraftvolles Gesicht, wie ich es immer gesehen hatte. Aber es waren jetzt Runzeln darin, und die blauen Augen schauten müde. Er wurde älter. Das war mir nicht aufgefallen.
»Wenn ich dich nicht willig gehen ließe, dann würdest du einfach so weglaufen, nicht wahr?« fragte er.
Mir wurde kalt. Daran hatte ich nicht einmal gedacht. Aber ich nickte. Er hatte ganz recht. Nachdem ich erklärt hatte, warum ich weg mußte, war es unmöglich geworden, nicht mehr zu gehen.
»Also gut. Dann geh, mit meinem Segen. Du bist ein guter Mann, Rhys, und dein Wunsch ist letzten Endes ehrenhaft und gerecht. Vielleicht irrst du dich nicht. Vielleicht sind wir hier draußen nicht stark genug. Vielleicht geht die Sonne wirklich in Camlann auf.« Er legte die Arme um mich und schenkte mir eine seiner Bärenumarmungen. »Aber denk daran, daß wir noch hier sind«, flüsterte er, »und wenn du es je kannst, dann komm zurück.«
Er ließ mich los und schritt abrupt zur Tür, um meine Mutter zu rufen.
Meine Familie war erstaunt und verwirrt. Sie riefen mir Fragen zu, auf die ich die Antwort nicht wußte. Gawain kam aus dem Stall mitten in den Wirbel herein, und sie schrien auch ihm Fragen entgegen. Während des ganzen Abendessen, des ganzen Abends war es das gleiche. »Aber warum, Rhys?« und »Was willst du tun, Rhys?« Ich konnte ihnen nicht die feinen Worte sagen, die ich Gawain gesagt hatte, aber sie hätten mich auch so nicht verstanden.
Meine Mutter weinte leise. Ich glaube, auch sie verstand meine Gründe, denn sie stellte mir keine Fragen. Sie ging nur im Haus herum und packte Dinge für mich ein. Sie tat es schnell und energisch, nichts entging ihr, was ich vielleicht brauchen konnte, und sorgfältig bedachte sie Masse und Gewicht. Die ganze Zeit putzte sie sich die Tränen ab. Meine Schwestern waren aufgeregt und klagten dauernd, meine Vettern wurden plötzlich sehr stimmgewaltig und neigten dazu, mich zu beschuldigen, was mein Vater meistens verhinderte. Mein Bruder Dafydd war begeistert, stand jedem im Weg, packte einen Besen und drohte allen, sie damit aufzuspießen.
Ich glaube, niemand schlief gut in dieser Nacht. Ich weiß, daß ich selbst noch lange wach lag, nachdem selbst der allerletzte im Haus eingeschlafen war. Ich horchte auf die Holzscheite, die im Feuer knisterten und zusammenbrachen, ich horchte auf den Wind im Strohdach und auf die gleichmäßigen Atemzüge meines Bruders neben mir. Ich dachte an mein ganzes Leben und fragte mich, ob ich jemals wieder nach Hause zurückkommen
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