Bradshaw Gillian - Artus 02
die anderen sagten. Er hatte sich an einen schrecklich
stillen Ort hinter seinen Augen zurückgezogen, und von der ersten Nacht an weigerte er sich, bei irgendeinem Menschen die Vorsicht fahren zu lassen. Ich bemerkte vage, daß es vielleicht die Anwesenheit seiner Mutter in Degganwy war, die ihn verstörte, aber mir gefiel das nicht. Ich begriff auch nicht, warum er seinem Bruder aus dem Weg ging. Rhuawn und ich stimmten darin überein, daß
Medraut ein erstaunlich liebenswürdiger Mensch war.
An unserem zweiten Tag in Degganwy kam ich in den Stall, um
mich um die Pferde zu kümmern, und stellte fest, daß Rhuawn und
Medraut an der Tür eines Stalles standen und ein Tier aus
Maelgwyns Bestand begutachteten.
»Diese Bergpferde sind einfach zu klein«, sagte Rhuawn gerade.
»Und sie haben keinen Widerrist – schau dir dies mal an! Nichts, woran man sich in einer Schlacht festhalten könnte. Das
erstemal, wenn dein Speer irgend etwas trifft, fällst du runter, und
wenn nicht, dann sitzt du zu niedrig, um den Speer irgendwie zu
deinem Vorteil zu benutzen. Nein, Maelgwyn wird den südlichen
Königen mit seiner Kavallerie nie ein Gegner sein, es sei denn, er
kauft ein paar Tiere aus Gallien.«
»Andererseits«, erwiderte Medraut lächelnd, »fallen diese
südlichen Pferde, diese gallischen Kriegsstuten, in hügeligem
Gelände über die eigenen Beine. Aber diese kleine Stute hier, die
könnte dich mitten im Winter den steilsten Berg hinauftragen oder
bei einem Angriff im Schlamm bergab galoppieren. Zeig mir eine
Reitertruppe des Südens, die das schafft!«
»Wir haben’s geschafft, in der Familie.« Rhuawn streichelte
seinen Schnurrbart. »Es ist nicht leicht, aber wir haben es einmal
geschafft, im Norden. Einmal haben wir sogar einen Angriff bergab
geritten, über einen Fluß und das gegenüberliegende Ufer hinauf,
mitten in einen sächsischen Schilderwall hinein. Natürlich hat dein
Bruder den Angriff geführt…«
Medraut lachte. »Gawain, der könnte den Nordwind satteln,
wenn er Lust dazu hätte. Er hat das immer gekonnt. Er ist derjenige,
der mich reiten gelehrt hat, wirklich. Obwohl ich nie so gut sein
werde wie er.«
»Bei Kavallerieangriffen gibt es keinen auf der ganzen Erde, der
so gut ist.«
Medraut lächelte wieder. »Das glaube ich dir gern. Natürlich, als
er… Dun Fionn… verlassen hat, da wußte niemand, was er für ein
Kämpfer ist. Aber seit damals habe ich die Lieder gehört. Seltsam,
ein Lied dieser Art über einen Bruder zu hören, den man seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Warum überläßt Artus ihm nicht den Befehl
über die Reiterei?«
Rhuawn drehte sich um und lehnte sich gegen die Box. Dann
bemerkte er mich. Er unterbrach die Unterhaltung und rief: »Oh,
Rhys, ich hab’ dein elendiges Vieh schon versorgt. Herr Medraut,
das ist Gawains Diener Rhys ap Sion. Ein guter Mann.«
Ich verbeugte mich ein bißchen, und Medraut ap Lot richtete sich
auf, lächelte breit und winkte mich zu ihm hinüber. Mein Traum
blitzte mir einen Augenblick lang im Kopf, aber Träume sind
flüchtige Dinge und bedeuten gewöhnlich gar nichts. Also ging ich
hinüber und lehnte mich gegen die Stallwand.
»Also«, begann Medraut wieder, »warum gibt der Pendragon
meinem Bruder nicht das Kommando über die Reiterei?« Rhuawn gähnte. »Weil er so ein wilder Kämpfer ist. Gawain wird
verrückt in der Schlacht, und er haut dann jeden mitten durch, der
vor ihm ist. Wenn er je in der Schlacht getötet wird, dann kommt es
sicher daher, daß jemand ihn von hinten mit einem Wurfspeer trifft.
Niemand wird ihn je Mann zu Mann schlagen. Niemand. Und was
den Befehl über andere in einer Schlacht angeht – wenn er erst
einmal angefangen hat zu kämpfen, dann versteht er kein Britisch
mehr, und er kennt selbst seine besten Freunde nicht. Bedwyr, der
behält unter allen Umständen einen klaren Kopf. Er ist ein Philosoph
und kann den ganzen Schlachtplan im Kopf behalten, und er sieht,
wo alle sind und wo jeder hin muß. Der kann selbst Gawain
befehlen.«
Medraut schaute gedankenvoll drein. »Er wird also wirklich
verrückt? Das erklärt vielleicht…« Er hielt inne.
»Was?« fragte Rhuawn.
Der andere lächelte. »Ach nichts. Wie zeigt sich denn seine
Verrücktheit? Ich hab’ noch keine Chance gehabt, mit ihm zu reden,
und ich weiß sowieso nicht, was ich ihn fragen könnte. Es ist schwer,
einem älteren Bruder solche Fragen zu stellen.«
»Mhm. Kann ich mir vorstellen. Na, er… er wird einfach
verrückt. Er reißt sein Schwert
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