Bradshaw Gillian - Artus 02
seinen Bruder nicht schön behandelt. Aber nach einer
Weile bot ich Gawain etwas Met an, nur um das Schweigen zu
brechen. Einen Augenblick glaubte ich, er würde weiter über
Medraut reden, aber er nahm nur den Met, fuhr sich mit einer
schmalen Hand durch sein nasses Haar und nippte langsam das heiße
Getränk.
Am folgenden Tag, als ich zu Eivlin ging und an ihre Tür klopfte,
rief sie nicht sofort: »Komm herein!«. Ich wartete einen Augenblick,
dann klopfte ich noch einmal. Diesmal rief eine Stimme: »Herein.« Ich drückte die Tür auf und blieb auf der Schwelle stehen.
Morgas von den Orcades saß dort. Sie hatte mir den Rücken
zugekehrt und band ihr schwarzes Haar mit einem goldenen Band
auf. Sie trug nur ein Gewand aus purpurrotem Leinen, durch das jede
Linie ihres Körpers sichtbar war, und sie saß da und schaute in einen
Bronzespiegel. Ich konnte ihr Gesicht im Spiegel sehen, und die
offene Tür und meine eigene Gestalt waren im Spiegelbild
eingefroren. Die Augen ihres Spiegelbildes begegneten meinem
Blick, und ihr Mund zog sich zusammen. Sie drehte sich um. Ich ließ
meinen Blick auf ihrem Spiegelbild ruhen, und ich gebe zu, ich hatte
Angst, ihr ins Gesicht zu sehen.
»Was tust du hier?« Ihre Stimme war weicher als eine
Wollgrasflocke, aber so kalt, daß mir das Mark in den Knochen
gefror.
»Eivlin«, keuchte ich. »Ich… ich wollte ihr helfen, das Dach
auszubessern.«
»Deine Hilfe ist nicht notwendig. Geh! Nein, warte.« Sie erhob
sich und kam auf mich zu, und ich mußte meinen Blick vom Spiegel
abwenden. Ich wünschte von Herzen, ich wäre anderswo, und ich fragte mich, warum ich jemals von zu Hause weggegangen war. Ich kann es nicht erklären, aber diese Frau ließ mir das Blut in den
Adern gefrieren. »Du bist doch Gawains Diener, nicht?«
»Ja, große Königin«, murmelte ich.
Sie lächelte süß. »Es ist sehr großzügig von dir, daß du uns bei
unseren Angelegenheiten helfen willst. Wie ist dein Name?« Ich leckte mir die Lippen. Ich hatte nicht den Wunsch, irgend
etwas auszusprechen, was ihr vielleicht Macht über mich und die
Meinen gab. Aber ich mußte sagen: »Rhys ap Sion, Herrin.« »Rhys ap Sion.« Sie spielte mit einem goldenen Anhänger, der
um ihren Hals hing, und ihr Blick war auf meine Augen fixiert. Mir
war schwindlig, und innerlich wand ich mich. Aber ich erinnerte
mich meiner Prahlereien gegenüber Eivlin, und ich schaffte es so
eben noch, zurückzustarren.
Sie ließ den Anhänger fallen. »Es ist sehr großzügig. Weiß dein
Herr, mein Sohn, was du hier tust?«
Ich nickte, dann schüttelte ich den Kopf.
»Vielleicht hat er es dir befohlen«, sagte sie, noch immer
lächelnd. »Ich glaube, so war es wohl.« Sie streckte die Hand aus
und legte sie auf meine Schulter. Dann beugte sie sich vorwärts; ihre
Lippen teilten sich leicht, und sie lächelte noch immer. »Er darf gern
wissen, was immer du siehst. Sag ihm das. Aber sei gewarnt, ich
liebe es nicht, ausspioniert zu werden, Rhys ap Sion, und ich liebe
auch diejenigen nicht, die das tun… Gut.« Sie ließ den Arm sinken.
»Eivlin ist heute den ganzen Tag in der Küche. Vielleicht kannst du
sie dort finden.«
Ich verbeugte mich tief und ging. Als ich aus der Tür trat, stieß
ich fast mit Maelgwyn von Gwynedd zusammen. Er knurrte mich an
und holte aus, und ich duckte mich, während ich die Bewegung in
eine Verbeugung und eine gemurmelte Entschuldigung verwandelte.
Dann schritt ich davon, so schnell ich konnte. Aber hinter mir hörte
ich, wie er Morgas begrüßte, und ich hörte ihr tiefes Lachen,
während ein Blick über die Schulter mir zeigte, daß sie die Tür
schloß. Sein Arm hatte um ihrer Hüfte gelegen.
Ich ging halbwegs bis zur Küche, dann blieb ich stehen auf dem
reinen Gras, und der klare Himmel war über mir. Gawain hatte
gesagt, Morgas sei es, die die Pläne schmiedete, und wahrhaftig, der
verwelkte alte König Lot sah auch nicht so aus, als ob er dazu fähig
sei. Lot stammte aus einer Welt der Armeen und Verbündeten, aber
Morgas war subtiler. Morgas beherrschte die Gedanken ihrer Verbündeten und unterwarf sie nicht einem bestimmten Ziel, sondern sich selbst. Gleichgültig, wer wen eingeladen hatte, sie schlief mit dem König von Gwynedd, und sie würde ihm diktieren, was er zu tun hatte. Die Ynysoedd Erch waren einfach zu weit entfernt- und deshalb war sie nach Gwynedd gekommen, um sich ein Werkzeug zu suchen. Lot Mac Cormac hatte wahrscheinlich keine Ahnung von ihren Plänen, aber es gab möglicherweise andere,
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