Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
hätten ihn gerne gesprochen.«
Die Körperhaltung der Frau veränderte sich binnen Sekunden. Sie bog ihren Rücken durch, stand stramm wie ein Soldat beim Salutieren, musterte ihn mit strengem Blick. »Was heißt das? Er ist nicht da?«
»Er ist nicht hier«, beharrte er.
»Und Sie suchen ihn? Weshalb?«
Er wusste nicht, inwieweit er ihr offen antworten sollte, bat sie ins Büro. »Vielleicht können Sie uns genauer über die Geschäftspraktiken der Firma aufklären.«
Er lief ihr voran, machte sie mit Dr. Dolde bekannt, bat sie, auf ihrem gewohnten Stuhl Platz zu nehmen. Sie marschierte ins benachbarte Zimmer, legte ihre Handtasche auf dem Schreibtisch ab, zog sich den Bürostuhl heran, setzte sich. »Weshalb suchen Sie Herrn Meisner?«
»Sollte er um diese Zeit nicht hier anwesend sein?«
»Allerdings. Wir haben einige geschäftliche Dinge zu besprechen.«
»Zum Beispiel?«
»Das sind doch wohl interne Angelegenheiten unserer Agentur.«
»Nicht mehr. Soll ich Ihnen unseren Durchsuchungsbefehl zeigen?«
Regina Trefz erbleichte zusehends, schüttelte den Kopf. »Was ist mit Herrn Meisner? Weshalb sind Sie hier?«
»Sie haben heute noch keine Zeitung gelesen? Oder gestern und vorgestern die Nachrichten gehört oder gesehen?«
Sie schaute ihn fragend an. »Nein, ich habe andere Sorgen. Meine Mutter liegt in der Klinik. In Tübingen, nicht hier. Es sieht nicht gut aus.« Sie stockte für einen Moment, schluckte, fuhr dann fort. »Warum sollte ich die Nachrichten verfolgen? Ist etwas passiert?«
Braig deutete auf den Aktenordner im Nachbarraum. »Die European Angels«, sagte er. »Sie kennen sie?«
»Was, glauben Sie, ist mein Job?«
»Diese Frauen zu vermitteln, wenn ich das richtig verstehe?«
»So in etwa, ja.«
»Lisa Haag, der Name sagt Ihnen etwas?«
»Eine unserer Angels.« Wieder im gewohnten Akzent. »Natürlich kenne ich sie. Vom Bild her jedenfalls. Sie ist sehr weit vorne platziert.«
»Nicht persönlich?«
»Persönlich? Doch, ja, ich habe sie gesehen und mich auch mit ihr unterhalten. Hier im Haus. Zwei- oder dreimal. Sie ist sehr ehrgeizig, will unbedingt ganz nach vorne kommen.«
»Sehr ehrgeizig? Worin äußert sich das?«
»Sie wollen es aber genau wissen!«, kritisierte Regina Trefz. »Lisa Haag ruft oft an, taucht auch hier bei uns auf. Sie weiß, wie man es nach oben schafft. Das ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie an der Spitze steht.«
»Was muss man denn tun, um es an die Spitze zu schaffen?«, nahm Braig ihre Worte auf.
»Was wohl?«, antwortete sie brüsk. »Sich möglichst gut verkaufen. Und das beherrscht sie sehr gut. Was ist mit ihr?«
»Sie haben nichts davon gehört?« Braig musterte angestrengt das Gesicht der Frau, versuchte, jede Regung einzufangen.
»Wieso? Ist ihr etwas zugestoßen?« Sie kniff die Augen zusammen, starrte aufmerksam zu ihm her.
Er gab keine Antwort, behielt ihre Miene im Blick.
»Oh mein Gott, ihr ist etwas passiert, ja?« Regina Trefz schnellte in die Höhe, schob ihren Stuhl zurück. »Im Zusammenhang mit den Aktivitäten unserer Agentur?« Sie sah Braigs starren Gesichtsausdruck, schüttelte den Kopf. »Und ich habe ihn mehrfach gewarnt, damit endlich aufzuhören.« Sie seufzte laut auf, griff nach ihrer Handtasche, zog eine Zigarettenpackung daraus hervor. »Was ist passiert?«
»Womit soll er endlich aufhören?«, fragte Braig, ohne auf ihre Worte einzugehen.
Die Frau machte sich an den Zigaretten zu schaffen, zog ein Feuerzeug aus der Tasche, zündete sich eine an. Sie nahm einen kräftigen Zug, blies eine blaue Wolke in die Luft. »Was ist passiert?«, wiederholte sie.
»Lisa Haag«, sagte Braig. »Sie wurde ermordet.«
»Verdammte Scheiße.« Regina Trefz Fluch hallte laut durch den Raum. Sie schien in sich zusammenzufallen, eilte gebückt, den Kopf nach vorne zwischen die Schulter gezogen, mit großen Schritten vor dem Schreibtisch hin und her, stieß wütend den Stuhl zur Seite. »Ermordet«, zischte sie, die Zigarette zwischen den Lippen, »wer war es?« Sie blieb stehen, jagte eine Kaskade blau-grauer Wolken in die Luft, musterte ihr Gegenüber. »Er wurde von Meisner vermittelt?«
Braig versuchte, den Sinn ihrer Worte zu verstehen, sah die Frau für Sekunden im Nebel ihres Zigarettenrauches verschwinden.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, zischte sie.
»Was meinen Sie mit: Er wurde von Meisner vermittelt?«, fragte Braig.
Regina Trefz wedelte mit der Hand durch die Luft, drückte ihre Zigarette auf dem
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