Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
Hall, Anfang Januar. Es war warm wie im Frühling. Wir saßen auf dem Dach vom Sudhaus an der Kunsthalle bei zwei Milchkaffee, Sie kennen es vielleicht, mit diesem wunderbaren Ausblick über die ganze romantische Altstadt. Sie hatten die Terrasse ausnahmsweise geöffnet, weil es so mild war. Der erste Frühlingstag in diesem Jahr, frotzelten wir, ich weiß es noch genau. Lisa fing sofort wieder an, von ihrem Ziel, der Number One Angel zu werden, zu erzählen, ich konnte es nicht mehr hören. Ein alter Kindheits-Traum sei in Erfüllung gegangen, sie sei schon immer davon beseelt gewesen, und jetzt sei es bald so weit. Bisher habe sie nur nicht gewagt, sich zu diesem Traum zu bekennen, aber jetzt werde er endlich wahr. Meisner könne sie nicht länger hinhalten, er müsse sie jetzt endlich zur Number One machen, sie lasse nicht länger mit sich spielen. Wenn er nicht bald nachgebe, werde sie schon dafür sorgen, dass er reagiere. Sie wisse Mittel und Wege, ihn dazu zu bringen.«
»Mittel und Wege, ihn dazu zu bringen, sie zur Nummer eins zu machen?«, vergewisserte sich Braig.
»Genau so, ja. Das klang wie eine unverhohlene Drohung, jedenfalls kam es mir so vor.«
»Sie erinnern sich genau an diese Aussage?«
»Allerdings. Damit kam sie erst nach einer Weile. Hoppla, überlegte ich, es läuft doch nicht so wie gedacht.«
»Und was sagte sie noch?«
»Sie lasse nicht länger alles mit sich machen, habe ihm seine Wünsche oft genug erfüllt, jetzt wolle sie die Belohnung sehen. Meisner sei es ihr schuldig. Und sie habe ihn in der Hand.«
»Sie habe ihn in der Hand?«
»Ja. Ich wunderte mich noch über ihre Worte. Mir kam es so vor, als habe sie ihn endlich durchschaut, als wolle sie sich nicht länger von ihm benutzen, diese entwürdigenden Fleischbeschauereien auf den Bühnen über sich ergehen lassen, nur weil er sie zu einem seiner dämlichen Engel machte. Leider habe ich nicht genauer nachgefragt. Wir kamen dann auch nicht mehr zu dem Thema. Und später haben wir auch nicht mehr darüber gesprochen. Es tut mir jetzt so leid. Glauben Sie, diese seltsamen Drohungen haben etwas mit ihrem Tod zu tun?«
»Das kann ich nicht ausschließen. Wir fahnden auf jeden Fall nach dem Mann. Leider haben wir immer noch keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort. Oder hätten Sie eine Idee, wo er sich versteckt halten könnte?«
»Nein, wirklich, dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Der Mann hat mich nicht interessiert. Ich habe immer weggehört, wenn das Thema auf ihn und seine Angels kam.«
Braig bedankte sich für das Gespräch, bat sie, anzurufen, wenn ihr doch noch etwas zur Sache einfallen sollte, legte den Hörer auf. Ohne lange darüber nachzudenken, war er sich bewusst, dass Fiona Pregizer seinen Verdacht gegen Meisner voll bestätigt, ja noch verstärkt hatte. Wenn er nicht bald nachgebe, hatte sie ihre Freundin zitiert, werde sie schon dafür sorgen, dass er reagiere. Sie wisse Mittel und Wege, ihn dazu zu bringen, sie zur Number One zu machen. Meisner sei es ihr schuldig. Sie habe ihn in der Hand.
Gab es noch irgendwelche offenen Fragen, was geschehen war? Meisner hatte Lisa Haag das Blaue vom Himmel versprochen, was ihre Model-Karriere anbetraf und sie sich damit sexuell gefügig gemacht. Doch anstatt sich mit ihrer Einordnung in seine Angel-Tabelle zufrieden zu geben, hatte sie noch mehr von ihm verlangt: Den Spitzenplatz aller Angels. Offensichtlich war er jedoch nicht so schnell bereit gewesen, ihrem Wunsch nachzugeben. Daraufhin hatte sie ihn erpresst. Sie habe ihn in der Hand.
Womit?
Geile schwerreiche Typen als Jury, hatte die junge Frau erzählt. Kandidatinnen, die sich flachlegen lassen, verheißt er Auftritte im Fernsehen.
Hatte sie ihn damit erpresst? Die Namen einiger Herren zu verraten, die beim Flachlegen junger Models mitgewirkt hatten?
Worum auch immer es ging, sie war bei Meisner an den Falschen geraten. So ließ er nicht mit sich umgehen. Vielleicht hatte er seine Firma, seinen Job als Model-Betreuer in Gefahr gesehen …
Auf jeden Fall hatte er reagiert. So, dass ihm keine Gefahr mehr drohte. Nicht von Lisa Haag …
Das Telefon läutete, unterbrach seine Gedanken. Er sah auf dem Display, dass der Anruf aus der Kriminaltechnik kam, griff zum Hörer.
»Du bist noch da?« Doldes Stimme klang atemlos. »Ich muss dir was zeigen. Sofort.«
»Um was geht es?«
»Das wirst du gleich erfahren. Ich bin schon unterwegs.« Bevor Braig reagieren konnte, hatte er aufgelegt.
Er versuchte, wieder zu
Weitere Kostenlose Bücher