Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
zwei Auslandssemester. Sie wissen, wer es getan hat?«
Braig überlegte, wie er eine Antwort formulieren sollte. »Wissen ist zu viel gesagt. Wir hegen aber einen starken Verdacht.«
»Heißt dieser Verdacht zufällig Meisner?«
»Meisner? Wie kommen Sie darauf?«
»Lisas Vater erzählte, dass Sie nach ihm fahnden. Ich hätte Ihnen den Namen aber auch so genannt.«
»Weshalb?«
»Der Kerl hat sie verrückt gemacht. Das war nur noch peinlich. Alles nur, um sie ins Bett zu kriegen.«
»Sie kennen ihn?«
»Allerdings. Das blieb nicht aus. Lisa und ich sind«, sie unterbrach sich kurz, fuhr dann fort, »oh nein, jetzt muss ich ja sagen, wir waren beste Freundinnen. Aber seit sie diesen Meisner kannte, war es nicht mehr zum Aushalten.«
»Wo sind Sie gerade?«, fragte Braig. »Können wir uns persönlich sprechen?«
»Das ist schlecht«, antwortete Fiona Pregizer, »ich bin in Marseille. Zwei Auslandssemester, seit Oktober, verstehen Sie?«
Er erinnerte sich an das Gespräch mit Vanessa Kösel vor wenigen Tagen, bot der jungen Frau an, die Verbindung zu unterbrechen und zurückzurufen, um ihr die Kosten zu ersparen.
»Das wäre nicht schlecht«, gab sie zu.
Er notierte sich die Nummer, gab die französische Vorwahl ein, hatte sie kurz darauf wieder am Ohr. »Da bin ich wieder«, sagte er. »Sie haben heute von Lisas Tod erfahren?«
»Am Sonntag. Mein Vater hat es mir gemailt. Lisas Eltern haben ihn informiert. Ich musste es erst verdauen. Eigentlich kann ich es immer noch nicht begreifen.«
»Wie gut kennen Sie Meisner?«
»Sie dürfen sich nicht zu viel von mir versprechen. Ich kenne ihn nicht gut genug, um Ihnen weiterzuhelfen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Der Kerl war mir von Anfang an unsympathisch.«
»Sie wissen von seiner Jagdhütte?«
»Jagdhütte?« Die junge Frau schien zu überlegen. »Nein, von einer Jagdhütte weiß ich nichts. Der traf sich mit Lisa im Hotel, glaube ich.«
»In welchem Hotel?«
»Verschiedene. Dort, wo er gerade mit seiner Model-Truppe unterwegs war. Sie kennen seine Casting-Agentur?«
»In Ludwigsburg.«
»Genau. Der veranstaltet Model-Wettbewerbe. Öffentlich, auf Bühnen und in Stadien. Irgendwelche geilen schwerreichen Typen als Jury, natürlich entsprechend verbrämt. Den Kandidatinnen verheißt er Auftritte im Fernsehen. Denen, die sich am schnellsten flachlegen lassen. Ich weiß nicht, was mit Lisa los war. Auf einmal war sie völlig verrückt nach diesem Model-Wahn. Sie hat sich total verändert, innerhalb von wenigen Wochen. Der Kerl hat ihr das Blaue vom Himmel versprochen, sie ständig als seinen schönsten Engel bezeichnet. Lisa, mein Sonnenschein. Lisa, mein Angel No. one.« Sie machte eine kurze Pause, hustete. »Ich konnte es nicht mehr mit anhören. So macht er das doch garantiert mit allen jungen Frauen. Zeigt ihnen schöne Bilder, verspricht ihnen das Paradies auf Erden, flötet ihnen alle Träume dieser Welt ins Ohr. Ich kann nicht verstehen, wie Lisa so darauf hereinfallen konnte. Eigentlich ist sie doch ein ganz anderer Typ. Lernt fleißig, bis zum Umfallen, galt schon in der Schule als eine der besten. War zurückhaltend, überhaupt nicht so öffentlichkeitsgeil, wie es zu diesem Meisner passt. Typen wie der haben sie früher völlig kalt gelassen. Noch vor einem Jahr hätte sie auf den überhaupt nicht reagiert. Aber dann, im Frühling, irgendwann, kam sie plötzlich mit ihm an. Das ging über Nacht. Dennis, ihr Freund, galt von einem Tag zum andern nichts mehr. Am Anfang tat sie noch geheimnisvoll, wollte nicht damit herausrücken, obwohl nicht zu übersehen war, wie sehr sie sich verändert hatte. Plötzlich kam sie ständig mit neuen Klamotten an, rannte zum Friseur, stylte sich wie eine dieser Fernsehzicken. Und danach hatte sie nur noch ein Ziel: Du wirst Augen machen. Bald bin ich die Number One. Sie glauben nicht, wie froh ich war, als ich mein Stipendium dann doch noch bewilligt bekam. Ich hätte nie gedacht, dass es mir so leicht fallen würde, Tübingen und Lisa für ein Jahr den Rücken zu kehren.«
»Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit ihr?«
Fiona Pregizer hatte Mühe, seine Frage zu beantworten. »Das ist es ja, was ich mir jetzt vorwerfe«, sagte sie.
Er hörte, wie ihre Stimme versagte, weil sie schluchzte, ließ ihr Zeit.
»Wir sahen uns ein einziges Mal kurz nach Weihnachten, obwohl ich zehn Tage bei meinen Eltern und meinem Freund war. Ein einziges ausführliches Gespräch, das war alles. Ich besuchte sie in Schwäbisch
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