Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel
seiner Aktion gegen seinen Nebenbuhler, bedeutet das noch lange nicht, dass er keinen neuen Versuch unternimmt. Irgendwo, irgendwann. Sie wissen ja selbst, wie schön dunkel es jetzt im Januar draußen ist.« Ein süffisantes Lächeln huschte über ihr Gesicht, sie fühlte sich augenblicklich besser. »Ich wäre von jetzt an auf der Hut. Immer und überall. Zu jeder Sekunde.«
Für den Augenblick einer Sekunde zuckten seine Mundwinkel, dann hatte er sich wieder gefangen. Er zog die Tür vollends auf, nickte ihr zu. »Ach ja. Dann lassen Sie es ihn doch versuchen.« Sein Lächeln wirkte etwas krampfhaft.
Das werde ich auch, arbeitete es in ihr. Und wenn er dich erwischt, ich werde dir keine Träne nachweinen. Sie lief zur Tür, warf ihm einen letzten Blick zu. »Wir hören voneinander.«
»Schneller als Sie glauben«, rief er ihr nach.
17. Kapitel
Fiona Pregizers Anruf war der erste Lichtblick an diesem Dienstagnachmittag. Braig hatte bereits mehr als zwei Stunden fast ohne Unterbrechung mit ergebnislosen, im Nachhinein völlig überflüssigen Telefonaten verbracht, dazu unzählige Fotos aus Meisners Haus studiert, die ihm Dolde mit der Aufforderung auf den Schreibtisch gelegt hatte, nach bekannten Gesichtern zu schauen, als sich die junge Frau bei ihm meldete. Nach dem Gespräch mit Nadine Bihlmaier und einem kurzen Imbiss unterwegs hatte er mehrere der in Meisners Wohnung und Büro aufgefundenen Rufnummern gewählt, um eventuell Hinweise auf den Standort der gesuchten Jagdhütte zu erhalten – ohne Erfolg. So eindrucksvoll ihm die Ex-Frau Einblicke in Meisners geschäftliches Metier gewährt hatte, so ahnungslos hatte sie sich bezüglich des potenziellen Verstecks erwiesen – nicht anders, als alle Gesprächspartner dieses Nachmittags.
Aus dem Rahmen gefallen war lediglich die Unterhaltung mit der Ehefrau Schremps, die er nach mehreren Versuchen endlich an die Strippe bekommen hatte. Die offensichtlich mit einem außergewöhnlichen Mitteilungsbedürfnis ausgestattete Frau hatte ihn noch während seiner ersten Worte darüber aufgeklärt, dass sie im Moment unter immensem Zeitdruck stehe, um dann zweiundvierzig Minuten später, wie er durch einen Blick auf seine Uhr feststellte, ihre detaillierten Ausführungen über die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten in den Metzinger Factory Outlet Centern ziemlich abrupt zu beenden. Wie sie auf dieses Thema gekommen waren, daran konnte er sich am Ende des Gesprächs nicht mehr erinnern, – dass die Frau von einem Nico Meisner wie von einer angeblich im Umkreis ihres Mannes existierenden Jagdhütte noch nie im Leben gehört hatte, dagegen umso mehr.
»Die ganz alltägliche Arbeit eines Kriminalbeamten«, brabbelte Braig vor sich hin, als er entnervt von so viel ergebnisloser Unterhaltung den Hörer zurücklegte – langweilig, mühselig, ohne durchschlagenden Erfolg – ganz anders als im Roman oder in einem der abseits jeder realen Vorlage gedrehten Filme des Fernsehens geschildert. Er griff zum wiederholten Mal nach einem der Fotos aus Meisners Haus, betrachtete die vor Stolz geblähten Gesichter der erfolgreichen Jäger, musterte sie der Reihe nach. Einer wie der andere in der gleichen Pose, breitbeinig, kraftstrotzend, von Adrenalin geschwängert, das Ego aus allen Poren quellend.
Braig hatte schnell genug von dem Bild, wollte es schon zur Seite schieben, als er die verblüffende Ähnlichkeit sah. Im selben Moment läutete das Telefon. Rechts außen Meisner, das Gewehr in der Hand, mehrere erlegte Hasen vor sich, danach drei weitere Jäger und links außen, ebenfalls mit Gewehr und erlegter Beute das bekannte Gesicht. Er war es. Orchitis, der Ministerialdirigent aus dem Ministerium. Ein alter Bekannter.
Das Telefon läutete zum vierten oder fünften Mal. Seufzend und mit nur mühsam überwundenem innerem Widerstand löste sich Braig von dem Anblick, nahm den Anruf entgegen, eine unbekannte weibliche Stimme am Ohr.
»Fiona Pregizer. Sind Sie der Kommissar, der sich um Lisa kümmert?«
»Sie sprechen von Lisa Haag?«
»Genau.«
»Der bin ich, ja.«
»Lisas Eltern haben mich gebeten, bei Ihnen anzurufen. Wir sind Freundinnen, seit vielen Jahren schon. Ich kann es noch gar nicht begreifen.«
»Das geht nicht nur Ihnen so. Ihre Freundin war noch viel zu jung, jetzt schon zu sterben. Sie haben sie gut gekannt?«
»Sehr gut, ja. Wir gingen gemeinsam zur Schule, haben gemeinsam studiert und in einer WG gewohnt. Bis ich vor ein paar Monaten nach Frankreich ging,
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