Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
über die Sache reden«, sagte Neundorf. »Thomas, mein Lebensgefährte, hat da nämlich etwas entdeckt. Ich denke, du solltest davon wissen.«
»Dein Lebensgefährte? Ist er nicht Journalist?«
Sie nickte bestätigend. »Ja. Das ist auch der Grund, weshalb er darauf kam. Er und nicht wir.« Sie hatte sich schon oft genug darüber gewundert, wie schnell und auf welch kreative Weise Thomas Weiss und viele seiner Kolleginnen und Kollegen zu Informationen kamen, ohne auf ein solches Heer von Spezialisten zurückgreifen zu können wie sie selbst. Ein, zwei gezielte Anrufe, und schon hatte er eine Verbindung zwischen zwei scheinbar unzusammenhängenden Tatbeständen eruiert, die das Ganze plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen ließen. Man musste nur wissen, wen und wo man anläuten sollte, um auf eine neue Spur zu kommen. Beziehungen und ihre Pflege, das was das eine.
Das zweite Standbein erfolgreicher journalistischer Recherche gründete, so beobachtete sie oft voller Staunen, in einer – wie ihr schien – anderen Art des Denkens, einer kreativeren, unkonventionelleren Weise, an Probleme heranzugehen und Lösungen dafür zu finden. Bestand ihre Polizeiarbeit, jedenfalls im Normalfall, daraus, logisch oder was man dafür hielt, vorzugehen und sachlich-nüchtern einen Baustein nach dem anderen aneinander zu fügen, gingen Weiss und seine Kollegen oft wesentlich emotionaler, zumindest nicht allein rationaler Logik gemäß zu Werk. Sie brachten weitaus mehr Komponenten des Lebens mit ins Spiel, nahmen einen – modern formuliert – ganzheitlicheren Ansatz, gaben sich durchaus auch Spekulationen oder zumindest Überlegungen hin, das Wie könnte sich eine Person in einem solchen Fall verhalten haben? in allen, auch den verrücktesten, absurdesten Variationen austastend und kamen auf diese Weise der Lösung eines Problems manchmal schneller nah als sie mit ihrer konventionellen Polizeiarbeit. So auch im vorliegenden Fall.
»Ich habe da etwas entdeckt«, hatte Weiss ihr am Sonntagabend beiläufig erzählt, nachdem er mit seinen Recherchen, Gustav Werner betreffend, zu Ende gekommen war, »vielleicht hilft es dir zu einer anderen Sicht.«
»Was meinst du?«
»Diese Tankstellenüberfälle.«
»Du hast etwas über die beiden Täter herausgefunden?«
Er hatte sie mit einem vieldeutigen Lächeln bedacht, ihr dann den Ausdruck eines Zeitungsartikels vorgelegt, der dem Datum nach knapp ein Jahr alt war.
Fristlos wegen 1.30 Euro gekündigte Kassiererin unterliegt vor Gericht, war der Bericht überschrieben.
Neundorf hatte die Zeilen gelesen, die begleitenden Worte ihres Partners erst danach zur Kenntnis genommen.
»Der Name der Frau. Verstehst du?«
Er war nur einmal kurz erwähnt worden, hatte ihr dennoch einen Adrenalinstoß versetzt.
Christa Wössner, 59, war bis letzten September bei dem auch in unserer Region mehrfach vertretenen Handelskonzern beschäftigt.
»Das ist derselbe Laden, der auch den Tankstellenshop betreibt«, hatte sie bemerkt.
»Du sagst es.« Wieder hatte er sie mit seinem vieldeutigen Lächeln betrachtet.
Ihr war auf der Stelle klar gewesen, was sein Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte. All die vielen seltsamen Umstände beim Geschehen um die Tankstelle in Ludwigsburg, alle die außergewöhnlichen, irgendwie nicht in die Überfallserie passenden Phänomene – in diesem Zusammenhang erhielten sie jetzt einen neuen, durchaus nachvollziehbaren Sinn.
»Wenn alles so lief«, hatte Weiss ihr erklärt, »könnte ich es verstehen.«
»Wenn es so lief, ja«, hatte sie ihm zugestimmt. »Vielleicht sollte ich persönlich noch einmal mit ihr sprechen.«
»Die Mühe solltest du dir machen, unbedingt.«
Am Dienstag war sie endlich dazu gekommen, anzurufen, hatte den nächsten Morgen als Gesprächstermin vereinbart. »Ich habe um zehn Uhr ein Gespräch ausgemacht, mit Christa und Herbert Wössner. Mir wäre es recht, wenn du mitkommst«, sagte sie deshalb zu Ohmstedt, »ich werde dir auch ausführlich erklären, was Thomas entdeckt hat.«
»Sind wir rechtzeitig zur Pressekonferenz um 14 Uhr zurück?«
»Kein Problem. Wir fahren nur kurz nach Marbach.«
Ohmstedt sagte ihr zu, folgte ihr zu ihrem Dienstwagen. Neundorf hatte die Kladde mit den beiden Tankstellenquittungen aus Bulgarien und Rumänien eingesteckt, wurde kurz vor Fellbach vom Signal ihres Handys überrascht.
Braig. Sie nahm ihn über die Freisprechanlage an.
»Wir kommen gerade von Esslingen. Stefanie und ich.«
»Ihr
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