Braig & Neundorf 12: Schwabenehre
weiter solche Gefälligkeiten erweisen zu müssen.«
Das Bild verschwand für wenige Sekunden, dann schaute der junge Mann wieder aufgeregt in die Kamera.
»Mein sogenannter Freund ruft an, ich sehe es auf dem Display. Dieses Gespräch will ich unbedingt noch dokumentieren.«
In Großaufnahme war jetzt das Display seines Handy zu sehen. Eine Nummer leuchtete auf, dazu der Name des Anrufers: Ralf Kober.
»Hallo, mein junger Freund«, sagte die Neundorf unbekannte Männer-Stimme. »Ich habe einen tollen Vorschlag für dich. Ein Ausflug mit deiner Freundin, wenn ihr wollt, am nächsten Samstag zum Schloss Lichtenstein. Du hast mir doch erzählt, dass das schon immer dein Wunsch war, das Märchenschloss gemeinsam mit deiner Freundin zu besuchen. Das wäre doch eine wunderbare Gelegenheit für euch, das endlich zu tun? Und als besonderes Bonbon wartet dann am Samstagmorgen dort eine weitere Überraschung auf euch. Um was es geht, erfahrt ihr aber wirklich erst am Samstag. Wichtig ist nur: Ihr müsst unbedingt um 11 Uhr im Schlosshof sein. Einverstanden? Prima, dann gebe ich heute noch die Fahrkarte und das Taschengeld zur Post …«
Das Bild verschwand wieder für wenige Sekunden, dann war noch einmal kurz der junge Mann zu sehen.
»Mein sogenannter Freund, der mich beauftragt hat, die Fälschungen dieser Fotos durchzuführen, ist Herr Ralf Kober. Er hat seine Tante, Frau Ingrid Gärtner, hier bei uns im Heim und besucht sie ab und an. Mein Name ist Michael Napf, ich bin zur Zeit Zivildienstleistender hier im Seniorenheim im Kloster Lorch.«
Neundorf hatte sofort begriffen, was diese CD-ROM bedeutete. »Damit ist der Drahtzieher also entlarvt«, hatte sie Braig gratuliert, »was?«
»Morgen früh nehmen wir ihn uns vor«, hatte er geantwortet, »heute ist er auf Geschäftsreise in Norddeutschland. Obwohl er sich am Dienstagnachmittag angeblich doch immer bei seiner Tante im Altenheim aufhält, wie er mir gegenüber behauptet hat.«
»Und?«, fragte Neundorf auf dem Weg nach Marbach. »Habt ihr ihn festgenommen?«
»Allerdings. Wir hatten mehr Glück als Verstand. Während wir mit ihm sprachen, überprüfte Dolde die beiden Drucker von Kobers Büro. Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll: Dummheit oder tollkühne Dreistigkeit? Wir haben alles. Der benutzte tatsächlich einen dieser beiden Drucker für das angebliche Erpresserschreiben Napfs an Binninger. Dolde brauchte nur ein paar Minuten, dann hatte er den Beweis: Zwei kleine, mit bloßem Auge nur schwer sichtbare Merkmale, die das Gerät auf jedem Blatt hinterlässt.«
»Hat er es zugegeben?«
»Da war nicht mehr viel zuzugeben. Wir haben ihm Ausschnitte von Napfs CD-ROM vorgespielt, den Mitschnitt seines Telefonats, und dann knallte ihm Dolde das Untersuchungsergebnis des Druckers auf den Tisch. Sie sind überführt, habe ich ihm erklärt, der Anstiftung zum zweifachen Mord. Sie kannten Binningers beruflichen Ehrgeiz, sein Konkurrenzstreben gegen den immer erfolgreicheren Schmiedle, seine Eifersucht und seinen Jähzorn sehr gut, Sie konnten es sich genau ausrechnen, wie er reagiert, wenn er die Fotos von Schmiedle und seiner eigenen Frau, scheinbar in flagranti ertappt, zu Gesicht bekommt, wie er sich in seiner privaten und beruflichen Ehre gekränkt und angegriffen fühlt. Und als dieser junge Zivi seine Nerven verlor, weil er begriff, wie er sich für diesen angeblichen Partygag hatte missbrauchen lassen, schickten sie ihn in den sicheren Tod, damit er Ihnen nicht gefährlich werden konnte. Sie wussten genau, wie Binninger reagiert, wenn er den vermeintlichen Erpresserbrief Napfs erhält.«
»Und? Wie war seine Reaktion?«
»Sie wagen es, mich für all das verantwortlich zu machen?, herrschte er uns an. Mich, das Opfer? Wer hatte denn die Wahnidee, mich mit einem Hungerlohn abspeisen zu wollen, mich hier für kaum mehr als ein normales Arbeitersalär schuften zu lassen? Ich schaffe mir hier den Rücken krumm, muss ständig darauf achten, nicht vom Ehrgeiz zerfressenen Haifischen wie Binninger zum Opfer zu fallen, die nur auf meine Position lauern und dann soll ich mich mit Peanuts wie einem geringfügig erhöhten Arbeitergehalt am Existenzminimum bewegen? Dieser dahergelaufene ständig koksende und Weiber flachlegende Hochschul-Theoretiker Schmiedle, der ist der Schuldige. Kommt zu uns, verhext mit seinen Gleichmacherei-Parolen die Idioten des Betriebsrats und glaubt, mit dieser angeblichen Erfolgsbilanz mir jetzt auch noch meinen Job wegnehmen zu
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