Braig & Neundorf 13: Schwaben-Sommer
lässt sich das treffend beschreiben, ja.«
»Jetzt muss ich mich auf die Suche nach dem Kerl machen, der hier in Fitterlings Wagen steigt. Am besten, ich übergebe das Foto den Medien und rufe ihn zur Fahndung aus. Wenn er sich nicht schon längst aus dem Staub gemacht hat.«
»Du brauchst ihn nicht ausschreiben«, erklärte Neundorf ruhig. »Ich kenne den Kerl.«
Braig glaubte, nicht richtig zu hören. »Wie bitte? Du kennst diesen Kerl? Und woher, bitte?«
»Kennen ist zu viel gesagt. Ich habe ihn bisher nur auf einem Bild gesehen, auf einem riesigen Gemälde, um es genauer zu erklären. Aber ich weiß, wie er heißt und wo er wohnt.«
»Ich glaube es nicht. Und? Um wen handelt es sich?«
Sie nannte ihm den Namen des Mannes, berichtete, woher sie von ihm wusste. »Ich hole mir den Typen. Das wird eine lange Nacht. Und du kümmerst dich um das Auto, das ihn zum Waldrand gebracht und nach getaner Arbeit wieder abgeholt hat. Genauer um seinen Chauffeur. Immerhin haben wir ja das Kennzeichen.«
30. Kapitel
Michael Fitterling lehnte müde in dem Stuhl in Braigs Büro. Es war kurz nach Mitternacht, der Donnerstag vor wenigen Minuten angebrochen.
»Mein Gott, warum haben Sie uns das nicht erzählt? Sie hatten ein Alibi, für die gesamte Zeit, die für das Attentat auf Marina Röhm infrage kam und gehen lieber in Untersuchungshaft.« Neundorf deutete auf die Fotos, die vor ihnen auf dem Schreibtisch lagen.
»Ich darf Karol nicht bloßstellen. Sie sehen hier genau, was mit uns ist«, antwortete Fitterling.
»Sie sind schwul, na und?«, erklärte die Kommissarin. »Wen interessiert das? Wir sind aufgeklärte Menschen. Oder leben Sie noch im Mittelalter?«
»Ich nicht, aber Karol.«
»Wieso? Was hat Ihr Freund für Probleme?«
»Er ist katholischer Priester. In Obergailingen.«
»Oh mein Gott, nein!« Neundorf sprang von ihrem Stuhl auf, schlug mit der Faust so heftig auf den Schreibtisch, dass die Computer-Tastatur zur Seite sprang. »Dann soll er eben raus aus dem Verein! Wo leben wir denn?«
»Er ist noch nicht ganz so weit, kämpft noch mit sich.«
Sie schnappte nach Luft, blieb vor dem Mann stehen, schüttelte den Kopf.
»Stollner wusste von Ihrer Homosexualität?«, mischte sich Braig ins Gespräch.
Fitterling nickte. »Er hat Karol und mich einmal überrascht. Vor zwei oder drei Jahren. Seither trafen wir uns nur noch heimlich.«
»Heimlich?«, meinte Neundorf. »Das glauben nur Sie. Stollner wusste das genau. Sonst hätte er nicht Ihr Techtelmechtel ausgenutzt, seinen Kompagnon an den Waldrand zu fahren. Die waren über Ihr Treffen informiert, haben es gezielt ausgenutzt. Zum Glück hat dieser Daikler vorhin ausgepackt, als er merkte, dass Stollner alles auf ihn schieben wollte.«
Neundorf hatte sich beim Betrachten der Fotos sofort an das Gespräch mit Silke Daikler in Esslingen erinnert. Das überlebensgroße Gemälde an der Schmalseite des feudal ausgestatteten Wohnzimmers, das die Frau Arm in Arm mit ihrem Mann zeigte. Peinlich neureich hatte sie es insgeheim beurteilt, die Gesichtszüge des Mannes als herrisch und abstoßend empfunden.
Die Charakterisierung des Partners durch Silke Daikler war ihr im Gedächtnis haften geblieben. Er sei von seinem beruflichen Erfolg besessen, räume seiner Karriere absoluten Vorrang vor allem anderen im Leben ein, hatte die Frau erklärt. »Geld beruhigt, zugegeben, aber es ist nicht alles im Leben, das hat Niklas immer noch nicht begriffen.«
Neundorf hatte den Mann sofort mit den heimlich aufgenommenen Fotos konfrontiert, als sie vor wenigen Stunden in Esslingen bei ihm Einlass verlangt hatte, ihm von Anfang an klargemacht, dass es keinen Sinn hatte, irgendetwas abstreiten zu wollen.
»Was sollten wir tun, nachdem diese Scheiße passiert war?«, hatte er nach einer halben Stunde heftigen Gezeters und Gebrülls, in dem sie ihm an Lautstärke und Aggressivität fast die ganze Zeit unüberhörbar Paroli geboten hatte, resigniert gejammert. »Es hatte den Falschen erwischt. Da mussten wir jetzt den Verdacht auf ihn lenken, um die Sache wieder auszubügeln.«
»Wie kamen Sie an die Schlüssel von Fitterlings Wagen?«
»Stollner hat sich ein Duplikat machen lassen. Er ist näher bekannt mit den Leuten.«
Der Verkauf der Maultaschenfabrik Fitterling war gemeinsam von ihm und Stollner eingefädelt worden.
»Ich bin Firmenmakler«, hatte Daikler in der Nacht, kurz vor dreiundzwanzig Uhr, im Vernehmungsraum des LKA ausgepackt, »ich verdiene mein Geld
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