BRAINFUCK
es annähernd dieses Resultat gehabt. Genau genommen hatte es keinerlei Resultat gehabt.
Es war der gleiche Kaffee wie heute Morgen, der gleiche Zucker und das gleiche Wasser aus derselben Leitung.
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Ruth kehrt in ihr Badezimmer zurück und beginnt sauber zu machen. Routiniert putzt sie die Badewanne und den Fußboden mit bleichmittelhaltigem Reiniger, achtet peinlich darauf, keine Ritzen und Fugen zu übersehen und wirft die Putzlappen und Schwämme anschließend in eine Tüte. Diese wird sie zusammen mit dem ausgebluteten Körper entsorgen. Alles, was sie verwendet, ist Massenware, wie es sie millionenfach zu kaufen gibt. Falls man ihre Hinterlassenschaften eines Tages finden sollte, wird nichts davon Rückschlüsse auf sie zulassen.
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Lange grübelte Ruth darüber nach, wie zwei kleine Tropfen Blut, gemischt mit Kaffee, eine derartige Wirkung erzielen konnten. Es musste an dieser Kombination liegen. Eine andere Möglichkeit kam nicht in Betracht, wenn man unwahrscheinliche Lösungsansätze, die in den Bereich der Esoterik gehörten, wegließ. Sie beschloss, am nächsten Morgen zu überprüfen, ob der Vorgang wiederholbar war, und setzte sich, mit diesem Entschluss zufrieden, an ihren Computer, um zu arbeiten. Als sie das nächste Mal auf die Uhr sah, war es vier Uhr dreißig und sie hatte die Arbeit von eineinhalb Tagen erledigt. In dieser Nacht schlief Ruth nicht.
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Die Tagesthemen sind langweilig und nichtssagend, wie gewöhnlich. Es ist ausreichend dunkel geworden draußen. Ruth schaltet den Fernseher aus und zieht sich um. Sie ist nun völlig schwarz gekleidet und damit in der Nacht beinahe unsichtbar. An ihren linken Unterarm schnallt sie die Scheide mit dem Stilett für Notfälle, das sie noch nie benutzen musste. Es gibt ihr Sicherheit, zu wissen, dass sie sich verteidigen könnte, wenn es nötig werden sollte. Sie vergewissert sich, dass alle Taschen leer sind, bindet die Schuhbänder doppelt und kramt ihre Autoschlüssel aus der Handtasche. Das Beseitigen der Überreste ist der unangenehmste Teil ihrer Nahrungsbeschaffung. Das Suchen und Finden der Spender ist aufregend und der Moment, in dem es sich entscheidet, ob der Auserkorene auf ihr Angebot, mitzukommen, eingeht, ist ein spannendes Erlebnis. Die Minuten bis das Schlafmittel im Getränk wirkt, sind angefüllt mit kribbelnder Nervosität, und der Augenblick, in dem sie endlich die Längsschnitte an den Halsschlagadern setzen darf, hat etwas Orgastisches.
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Am nächsten Tag bemerkte Ruth beim Frühstück überrascht, dass der Schnitt an ihrem Finger bis auf eine kleine rosafarbene Narbe verschwunden war. Sie hatte die ganze Nacht durchgearbeitet und erst jetzt schlichen sich erste Ermüdungserscheinungen ein. Wenn sie den Vorgang von gestern wiederholen könnte?
Keine Frage, einen Versuch war es wert. Sie befüllte die Kaffeemaschine und wartete ungeduldig, bis die braune Flüssigkeit die Kanne füllte. Anschließend goss sie ihre Lieblingstasse voll und stellte sie vor sich auf den Tisch. Ruth entnahm ihrem Nähzeug eine große Nadel, stach sich schwungvoll in den Zeigefinger und drückte einige Tropfen Blut in die Tasse. Sanft schillernde Schlieren bildeten sich und es sah aus, als würden die beiden Flüssigkeiten in spiralförmigen Tanzfiguren verschmelzen. Sie trank. Die aufwühlende Wärme, die ihren Körper ergriff, ähnelte dem Gefühl vom ersten Mal, doch dieses erfüllende Wohlbefinden – dieses jede Zelle kitzelnde Phänomen – fehlte. Erst als sie sich einen weiteren Stich beibrachte und mehr von ihrem Blut in die Tasse tropfen ließ, wurde das Erlebnis annähernd vollkommen wie bei der Premiere.
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Bevor Ruth das Garagentor öffnet, überprüft sie, ob der Körper im Kofferraum des Kombis vollständig abgedeckt ist und ob der Klappspaten an seinem Platz liegt. Anschließend macht sie sich, peinlich die Verkehrsregeln beachtend, auf den Weg zur Müllhalde. Ein leichtes Nieseln setzt ein, als sie den Wagen unter den alten Eichen abstellt und Christians sterbliche Überreste aus der Heckklappe wuchtet. Ohne sichtbare Kraftanstrengung trägt sie die Leiche bis zum Zaun und ebenso mühelos schleudert sie diese auf die andere Seite. Mit behänden Bewegungen klettert sie hinüber. Dieser Teil der Deponie wird seit Jahren nicht mehr benutzt. Gras, kleine Büsche und Bäume wachsen hier. Am Rand eines Birkenwäldchens wirft sie den Körper achtlos zu Boden, klappt den Spaten auf und beginnt, ein flaches Grab
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