Bran
hatte man einen einmaligen Blick über das Mausoleum Iban Mogul Khans und die anderen Prachtbauten der Plaza, die hell erleuchtet in der schwülfeuchten Nacht lagen.
Nachdem sie mit dem gläsernen Elevator in die Höhe geschwebt waren, nahm der Chef des Hauses sie persönlich in Empfang und geleitete sie zu ihren Plätzen. Als Amuse-Gueule wurden Ohren vom Wüstenfuchs gereicht, gewürzt mit dem Salz des Basaltbaumes. Dazu wurde ein leichter kirgolischer Rotwein dekantiert. Es folgten verschieden Vorspeisen, darunter Teigtäschchen nach kazazunter Art und Eidechseneier nach einer Rezeptur von Selinaor. Der Hauptgang war natürlich Filet vom Gazellenadler, die im ganzen Cluster berühmte zhidaische Spezialität.
Kundali blühte auf wie der Strauch der Staubfrucht nach dem ersten Regen im Monsun. Hier war sie in ihrem Element. Sie plauderte, scherzte, gestikulierte. Das Erlebnis bei Kiú schien ausgewischt. Ausgelöscht und zerstampft wie die Zeichnungen der Nomadenkinder im Sand, nachdem eine Karawane darüber hinweggezogen war. Hier war sie sie selbst. Es tat Straner beinahe leid, dass er sie mit dem Elend konfrontiert hatte, das in den Vorstädten lungerte wie eine Rotte von Räubern jenseits der Palisaden. Was ging sie das an? Was hatte sie damit zu schaffen?
Sie war einfach nur ein Mädchen aus wohlhabender Familie, hübsch, schlank und sportlich. Eine naive junge Frau von 25 Jahren. Auf Rangkor wäre sie schon dreißig gewesen, und Straner musste es geschehen lassen, dass seine Gedanken sich in die Frage verhedderten, dass die Uhren hier anders gingen, wie ein Kätzchen in einem verfilzten Garnknäuel. Die ernüchternd geringe Lebenserwartung Zhids wurde etwas erträglicher, wenn man sich ins Gedächtnis rief, dass fünf Jahren hier deren sechs auf Rangkor entsprachen.
Immerhin.
Andererseits erfüllte ihn mittlerweile alles, was mit Zeit zu tun hatte, mit großer Vorsicht. Er umkreiste es scheu wie ein Hund einen Skorpion, der ihn bereits einige Male in die Nase gezwickt hatte.
Kundali plapperte. Er hörte kaum zu. Nach dem Hauptessen folgten Leckereien und Desserts, darunter die fast ungenießbar süßen Honigtörtchen von Tinerfaro. Die Infantin trank einen Mokka dazu. Straner orderte einen zhidaischen Schnaps, auch das eine weitgerühmte Spezialität.
Der Chef bot Rauchwaren an. Hanfletten aus Panesh oder gerollten Qat aus den unwegsamen Schluchten auf Trabeen.
Kundali sah ihn an. »Haben Sie keine Wasserpfeife?«
»Selbstverständlich.« Der Mann war arg verlegen. »Ich dachte nur, es sei nicht ziemlich, in Gegenwart einer Dame.«
»Was ziemlich ist, entscheide ich.«
»Sehr wohl.« Der Chef von »Darbor’s Palace« klappte zusammen wie ein Beduinenzelt, wenn man den Mast umlegt. »Was wünschen Sie für eine Rezeptur. Ich habe feinste Bergkräuter aus dem Rodan-Gebirge.«
»Wollen Sie mich umbringen?«
»Verzeihung?!«
»Bringen Sie einfach eine ganz normale Tabakmischung.« Straner sah sich genötigt, im Interesse des Gastgebers zu intervenieren.
Eine Minute später ergötzten sie sich an dem Blubbern der Luftblasen in dem farbig verzierten Glasballon, einem Meisterwerk des Kunsthandwerks von Kirgol.
»Wie wenn wir als Kinder mit Strohhalmen gespielt haben.« Kundali ließ einen Rauchkringel aufsteigen. »Damals durften wir das nicht. Aber jetzt ist es erlaubt.«
Was wäre ihr nicht erlaubt, dachte Straner. Sie war die Infantin. In zehn oder zwanzig Jahren würde sie den Thron besteigen.
»Die meisten Dinge im Leben machen nur Spaß, wenn man sich das vergegenwärtigt.« Sie war ein bisschen beschwipst und fing an zu dozieren. Dabei lallte sie ganz leicht. »Man müsste gleichzeitig das Kind sein, dem etwas verboten wurde, und der Erwachsene, dem man es nicht mehr verbieten kann.«
Straner war der Meinung, dass sie noch viel mehr Kind war als Erwachsene. Nachdenklich zog er an seinem Mundstück, einem goldenen, leicht konischen Zylinder, in den Ringe aus Halbedelsteinen eingearbeitet waren, Türkise von Azral und Lapislazuli von Kirgol.
»Du sagst ja gar nichts mehr.«
»Ich höre dir zu.«
Sie ließ den Rauch aus der Nase strömen, wodurch ihr Gesichtsholo zu flimmern anfing. Er wies sie diskret daraufhin, es zu unterlassen.
Wenig später rief er den Oberkellner, um zu bezahlen. Hier brauchte er keine Zurückhaltung üben, was sein Tattoo betraf. Er ließ es aufleuchten und wies den Betrag an, der auf eines von Brightons Konten belastet wurde. Der Senator durfte das zugleich als
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