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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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dich um das Haus gekümmert«, sagte Thiel, »deswegen dachte ich …«
    »Glaub ja nicht, ich hätt’s deinetwegen gemacht. Ich hab’s hergerichtet, weil wir bis zum Schluss gedacht haben, sie kommt nochmal nach Hause. Ist sie aber nicht. Und ich bin seitdem nicht mehr da gewesen. Oder hast du allen Ernstes geglaubt, ich hege und pflege dein Erbe, damit mein sauberer Herr Bruder sein Eigentum heil und ordentlich vorfindet, wenn er zurückkommt?« Sie lachte verächtlich. »Mir wär’s am liebsten, die Hütte gäb’s gar nicht mehr. Feuer, Sturmflut, irgendwas, das uns von dir verschont hätte.«
    Sie war nie eine Schönheit gewesen, aber jetzt, mit dem vor Verachtung fast lippenlosen Mund und den kleinen, harten Augen, war sie hässlich.
    Thiel fühlte eine Wut aufsteigen, die er sich nicht mehr zugetraut hätte. Kalte, drängende Wut auf der Suche nach einem Ventil. Er presste die Kiefer aufeinander, dass es schmerzte, und ballte die Hände in den
Jackentaschen zu Fäusten. Das fehlte gerade noch. Auf die eigene Schwester losgehen, weil die ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Tür vor der Nase zuschlug. Ein paar Sekunden stand er noch wie erstarrt davor, dann trat er den Rückweg an.
    Die Sonne hatte ihre Mittagskraft verloren, und im Waldschatten wurde es kalt.

6
    Polizeiobermeister Daniel Pieplow trat zwei Schritte zurück, um sein Werk einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Besserte dann hier und da mit einigen Tupfern nach und zog ein dunkles Pinselhaar aus dem frischen Lack auf der Fensterbank.
    Er hatte die Wahl gehabt – Mittagessen kochen oder Ferienwohnungen streichen – und sich für Letzteres entschieden. Weil es ihm gefiel, an den gedeckten Tisch gerufen zu werden. Und weil es das, von seinen Kindertagen abgesehen, bisher noch nicht für ihn gegeben hatte. Wie auch alles andere nicht, was ein gemeinsames Leben ausmachte. Wach zu werden, zum Beispiel, und neben sich die Frau zu haben, der sein Herz gehörte. Sie betrachten zu können, während sie schlief. Ihr langes braunes Haar, eine Nuance dunkler als ihre Augen. Die nackten Schultern. Das Profil ihres Gesichts mit der leichten Stupsnase.
    Eine kluge, selbstbewusste Frau, die er nur einmal hilflos erlebt hatte. Der Angst ausgeliefert, ihr Kind zu verlieren, und so furchtbar allein inmitten der Menschen, die nach ihm suchten. Dass ausgerechnet Pieplow es gewesen war, der Leonie fand, hatte die
Dinge zwischen Marie und ihm nicht einfacher gemacht.
    Sie war dankbar gewesen und er verliebt. Eine unglückliche Konstellation, in die er sich mehr oder weniger klaglos gefügt und sich alle weitergehenden Hoffnungen untersagt hatte.
    Bis zum letzten warmen Sommerabend im vergangenen Jahr. Bis zu Maries Kuss, an den zu denken ihn heute noch schwindlig machen konnte, und der Nacht, in der sein Junggesellenleben eine kaum noch erhoffte Wendung nahm. Seitdem waren sie nie mehr als ein paar Kilometer voneinander getrennt gewesen. Ziemlich genau fünf, wenn Pieplow in Neuendorf zu tun hatte, knapp vier, wenn er auf seinen Kontrollfahrten im Norden bis nach Grieben kam. Nur einmal hatten sie gemeinsam die Insel verlassen. Nachdem die letzten Herbstgäste abgereist waren, hatte Pieplow eine für seine Verhältnisse äußerst weit reichende Entscheidung gefällt, nämlich zum ersten und hoffentlich einzigen Mal eine Frau seiner Mutter vorzustellen, und sich ein bisschen gewundert, wie unbefangen Marie zugestimmt hatte.
    Versteh einer die Frauen, hatte er gedacht. Wenn ich mir vorstelle, sie schleppte mich zu einer Art von Schwiegermutter …
    »Ach«, hatte seine Mutter gesagt, als er seinen Besuch ankündigte, und dann zugegeben, dass sie sich schon seit geraumer Zeit Sorgen machte, ob es überhaupt noch einmal etwas werden würde mit ihm
und einer Familiengründung. Vor allem, wenn man bedachte, dass er mit seinen siebenunddreißig Jahren nicht mehr so ganz taufrisch daherkam. Obwohl er doch eigentlich ein Frauentyp war, wenn sie das als Mutter so sagen dürfte. Groß und schlank und gut aussehend.
    Wenn sie jetzt auch noch mit meinem Pensionsanspruch kommt, fahre ich nicht, hatte Pieplow gedacht.
    Die Polizistenpension blieb unerwähnt. Dafür musste Pieplow ein knappes Dutzend Fragen beantworten.
    Marie. Marie Herzog. Bauingenieurin, gebürtig aus Stendal, geschieden, ein Kind.
    »Ach.«
    Ja. Leonie, sechseinhalb und das kleine Ebenbild ihrer Mutter – große dunkle Augen, braunes, welliges Haar, das noch ein heller Flaum gewesen war, als er sie

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