Brandhei
beiden, zumal sie den düsteren Ausdruck bemerkt hatte, der sich allmählich in Tuckers Blick zeigte. Ärger. Den wollte sie hier auf der Ranch nicht haben. »Jetzt kümmert euch mal um die wichtigen Dinge,
Jungs. Das Haupthaus ist ausgebucht«, sagte sie zu Tucker. »Wir brauchen ein Zimmer für Jake.«
Tucker starrte sie an.
Sie starrte zurück.
»Gut. Meinetwegen«, brummelte er und ging zurück ins Haus.
»Tuck, warte doch mal«, sagte Callie. »Ich habe vergessen, dich etwas zu fragen. Wer hat heute früh die Schweine gefüttert?«
»Ich.«
»Du hast den Riegel nicht vorgeschoben.«
»Doch, hab ich.«
»Na, irgendjemand hat es vergessen. Als ich rauskam, liefen sie frei herum und amüsierten sich prächtig. Hat eine Stunde gedauert, bis ich sie wieder eingefangen hatte.«
Er drehte sich um und sah sie an. Er betrachtete ihr Haar, in dem sich noch Schlamm befand, der in den erdbeerroten Strähnen gut sichtbar war. Doch immerhin war er so klug, es nicht zu erwähnen. »Kann gar nicht sein«, sagte er. »Ich warte immer, bis der Riegel klickt, denn es macht ihnen Spaß, an das Tor zu stoßen, wenn ich weggehe. Ich schau mir das gleich mal an.« Mit einem letzten ärgerlichen Blick auf Jake ging er weg.
Die Schiebetür wurde heftig geschlossen.
Jake lag da, in der Stille, und war jetzt mehr als erschöpft. »Tja, das war ein berührendes Familientreffen.«
»Stimmt.« Callie trat an seine Seite. Sie runzelte die Stirn, so dass zwischen ihren weit geöffneten grünen Augen eine Falte entstand. Außerdem hatte sie dort einen kleinen Schlammfleck, der Jake schon vorher fast zum Lachen gebracht hatte.
Jetzt fehlte ihm allerdings die Kraft zum Lachen. Erst der Flug nach Tucson und dann die fast hundert Kilometer
Autofahrt in diese gottverlassene Gegend hatten ihn ziemlich angestrengt. Früher hatte er täglich zehn Kilometer laufen und unter schwierigsten, gefährlichen Bedingungen stundenlang dreißig Kilo Gerät tragen können, aber seit dem Unfall auf dem Dach und der darauf folgenden Operation kam er sich wertlos vor. Seine Physiotherapie war ausgesprochen hart gewesen, aber inzwischen war er auf sich allein gestellt, mit einer Liste von Übungen, die er täglich machen sollte, um die Schulter zu kräftigen. Das machte er nun schon ununterbrochen seit einem Monat, und er war immer noch nicht völlig wiederhergestellt.
Es quälte ihn, sich dies selbst eingestehen zu müssen.
Und jetzt hier zu sein, auf dem Land seines Vaters … Jake versuchte, nicht allzu oft an Richard zu denken. Richard war nur einer aus einer Reihe kurzlebiger Ehen seiner Mutter gewesen, und zwar der Einzige, den hereinzulegen Mary Ann Mooney nicht geschafft hatte. Jake hatte bei seiner Mutter gelebt, einer Frau, die die Wüste Arizonas noch mehr hasste als das Alleinsein – und das sollte schon etwas heißen. Nach seiner Geburt war sie mit ihm nach Los Angeles gezogen. Richard hatte Jake einmal im Jahr an seinem Geburtstag angerufen – bis er zwölf wurde und seinem Vater sagte, dass er nicht Cowboy, sondern Firefighter werden wollte. Danach gab es keine Anrufe mehr, so als hätte Richard für sich entschieden, dass er kein Kind mehr hatte.
Und trotzdem hatte er Jake alles vermacht, was er besaß. Allein dieser Gedanke trug erheblich zu Jakes Erschöpfung bei.
Träge überlegte er, ob er nicht gleich hier im Wohnzimmer schlafen sollte, damit er nicht die Energie aufbringen musste, aufzustehen. Callie, die durchschnittlich groß und
schwer war – und perfekt proportionierte Rundungen besaß, wie er sehr wohl wusste -, hatte vermutlich mehr Kraft in ihrem kleinen Finger, als er in seinem ganzen Körper. Und das wurmte ihn gewaltig …
Er konnte nicht umhin zu bemerken, dass sie sexy aussah in ihrem Cowgirl-Dress. Die langen, feuerroten Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, strahlend grüne Augen, die jedes Gefühl offenbarten – und das Herz immer auf der Zunge, nie verbarg sie etwas.
Sie hatten einmal, nachdem sie zusammen eine Flasche Whiskey geleert hatten, eine unvergessliche Nacht miteinander verbracht, hatten Vertraulichkeiten und den Whiskey geteilt und über viel mehr gesprochen, als jeder von ihnen es in nüchternem Zustand getan hätte. Jake hatte in jener Nacht kein gutes Gespür für den richtigen Zeitpunkt gezeigt, als er von seinem Vater zu sprechen begonnen hatte. Er bedauerte immer noch, so früh davon gesprochen zu haben, dass er Richard Rawlins für ein selbstsüchtiges, gedankenloses Arschloch und für
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