Brandhei
Farben seiner Mutter auch die seines Vaters bekommen – wer immer das auch sein mochte.
Er war zwanzig Jahre alt und benahm sich auch so – außer wenn er mit den Pferden arbeitete. Dann war er eine wunderbar geduldige Seele von Mensch. Hier allerdings gab es keine Pferde, und beim Anblick seines älteren Halbbruders, der mit einem Fuß in und mit einem Fuß außerhalb des Whirlpools stand, versteinerte sich seine Miene.
Callie wusste, warum sie ein Problem mit Jake hatte. Er hielt die Fäden ihrer Zukunft in seinen großen Händen, und bei Gott, sie hasste es! Sie würde jedem misstrauen und niemanden mögen, der seine solche Macht über sie hatte. Es war nicht persönlich gemeint – na ja, fast nicht.
Aber Tuckers Abneigung gegen Jake war durch und durch persönlich, was sie aber noch nie so recht verstanden hatte. Tucker, zwölf Jahre jünger als Jake, hatte im Alter von siebzehn dringend ein Zuhause gebraucht, als seine Mutter sich anschickte, einen längeren Griechenlandurlaub mit ihrem letzten Ehemann anzutreten. Sie war sehr erleichtert gewesen, als Jake einsprang und Tucker überredete, auf der Ranch zu arbeiten. Das war alles andere als leicht gewesen. Tucker war damals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und hatte ein schweres Problem mit Autoritäten. Höchstwahrscheinlich hatte Jake damit Tucker das Leben gerettet. Doch Tucker benahm sich stets so, als hätte Jake nie auch nur einen Finger für ihn gekrümmt.
»Hast du Urlaub?«, fragte Tucker ihn etwas ängstlich.
»So was Ähnliches.« Jake stieg ganz aus der Wanne und sah sich um. »Hab mein Handtuch vergessen.«
Seine Badehose hatte er nicht vergessen, stellte Callie fest. Der nasse Stoff der dunkelblauen Badehose lag lose auf den schmalen Hüften und hing fast bis zu den Knien, so dass ein Körper zur Schau gestellt wurde, den Callie lieber bedeckt gesehen hätte. Sie nahm ein Handtuch aus dem Regal und warf es ihm zu.
Er lächelte sie dankbar an und versuchte, sich das Handtuch nur mit der linken Hand um den Körper zu legen. Callie fiel auf, dass er den rechten Arm bisher überhaupt noch nicht gebraucht hatte, nicht zum Telefonieren, nicht zum Winken, überhaupt nicht. Sie blickte auf seine Narbe und wollte ihm helfen.
Das war ungefähr so klug wie der Versuch, einen Leoparden mit der Hand zu füttern.
»Und? Wie geht’s dir denn so, Tucker?«, fragte Jake und mühte sich immer noch unbeholfen mit dem Handtuch ab.
Tucker gab einen Ton von sich, der entweder ein gemurmeltes »Gut« oder irgendeinen nicht jugendfreien Ausdruck bedeuten konnte, und ignorierte dabei Jakes offensichtliche Verletzung vollkommen.
Jake fiel das Handtuch hinunter. Er fluchte und versuchte es erneut.
Was war mit ihm geschehen? Callie verspürte eine Art Ziehen in ihrem Inneren, und ihr wurde bewusst, dass es Mitleid war.
Tucker allerdings sah überhaupt nicht mitleidig aus. »Hast du wieder eine andere Tussi mitgebracht?«
»Was habt ihr beiden nur?« Jake warf ihnen einen empörten Blick zu. »Kann man als Mann nicht mal allein hierher kommen?«
»Das hast du noch nie getan.«
Jake zögerte. »Nein, hab ich wohl noch nie«, antwortete er schließlich.
Keine Ausreden, keine Erklärungen, keine Entschuldigungen. Typisch Mann! Es schien Callie, als steckte Tucker voller Wut, denn er war jung und voller lächerlichen Stolzes. Er liebte seinen Beruf und konnte es nicht ertragen, dass er ihn durch seinen Bruder erlangt hatte.
Und trotzdem schien Jake stolz auf Tucker zu sein oder sich zugute zu halten, etwas für ihn getan zu haben. Sie wusste, dass die beiden einander seit langem nicht gesehen hatten. Warum konnten sie dann nicht einfach das tun, was Brüder üblicherweise tun: sich umarmen und einfach weitermachen?
»Ich habe vor einiger Zeit mit Mutter gesprochen«, sagte Tucker. »Sie hat immer versucht, dich anzurufen. Weißt du nicht, wie man ans Telefon geht?«
»Oh, ich weiß durchaus, wie man ans Telefon geht. Wenn mich denn jemand anruft.« So lässig wie nur irgend möglich streckte Jake seinen langen Körper auf einen der Sessel aus. Einzig Callie schien zu bemerken, wie vorsichtig er sich tatsächlich bewegte, und dabei genau darauf bedacht war, den rechten Arm und die rechte Schulter nicht zu bewegen.
Tucker ging näher an ihn heran, seine Hände geballt. »Willst du damit sagen, dass sie lügt?«
»Ich will damit sagen, dass sie das tut, was sie am besten kann. Einen flexiblen Gebrauch von der Wahrheit machen.«
Callie trat zwischen die
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