Brandherd
einen Kloß in meiner Kehle und stiegen mir in die Augen.
»Ich fahre jetzt nach Hause«, eröffnete ich ihr. »Ich muss etwas unternehmen. Ich kann nicht hier bleiben.«
»Ich glaube, es ist besser für Sie, wenn Sie .«, versuchte sie einzuwenden.
»Ich muss herausfinden, was sie als Nächstes tun wird«, sagte ich, als wäre das möglich. »Ich muss herausfinden, wie sie tut, was sie tut. Hinter dem Ganzen steckt irgendein übergreifender Plan, irgendein Schema. Hat man irgendwelche Metallspäne gefunden?«
»Viel war nicht übrig. Er war im Lagerraum, am Brandherd. Da oben war das Brenngut wohl beträchtlich, aber wir wissen nicht, was das war, außer dass eine ganze Menge Styroporchips herumschwammen. Und das Zeug brennt wirklich wie Zunder. Keinerlei Brandbeschleuniger bis jetzt.«
»Teun, die Metallspäne von dem Shephard-Fall. Lassen Sie uns die nach Richmond mitnehmen, damit wir sie mit den vorherigen vergleichen können. Ihre Beamten können sie Marino doch gegen Quittung überlassen.«
Sie sah mich an mit einer Mischung aus Skepsis, Müdigkeit und Trauer.
»Sie müssen das doch erst mal verarbeiten, Kay«, sagte sie. »Überlassen Sie alles andere uns.« »Ich verarbeite es ja bereits, Teun.« Ich stand auf und blickte auf sie hinab.
»Auf die einzige Weise, die mir zu Gebote steht«, sagte ich. »Bitte.«
»Sie sollten diesen Fall wirklich nicht weiter bearbeiten. Und Lucy stecke ich mindestens für eine Woche in den Innendienst.«
»Sie werden mir diesen Fall nicht aus der Hand nehmen«, erklärte ich ihr. »Nie im Leben.«
»Sie sind nicht in der Lage, objektiv zu sein.«
»Und was würden Sie tun, wenn Sie ich wären?«, wollte ich wissen. »Würden Sie nach Hause gehen und die Hände in den Schoß legen?«
»Ich bin aber nicht Sie.«
»Antworten Sie mir«, sagte ich.
»Niemand würde mich davon abhalten können, den Fall zu bearbeiten. Ich wäre besessen davon. Ich würde mich genauso verhalten wie Sie«, sagte sie und stand ebenfalls auf. »Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen.«
»Danke«, sagte ich. »Dem Himmel sei Dank, dass es Sie gibt, Teun.«
Sie musterte mich eine Weile, an die Küchentheke gelehnt, die Hände in den Hosentaschen.
»Kay, geben Sie nicht sich selbst die Schuld«, sagte sie.
»Ich gebe Carrie die Schuld«, erwiderte ich, und Tränen der Bitterkeit stürzten aus meinen Augen. »Ihr und keinem Menschen sonst.«
18
Ein paar Stunden später fuhr Marino Lucy und mich nach Richmond zurück. Es war die schlimmste Autofahrt, die ich je erlebt hatte. Zutiefst niedergedrückt starrten wir drei wortlos aus dem Fenster. Es schien nicht wahr zu sein, und jedes Mal, wenn die Wahrheit wieder zuschlug, traf sie mich wie eine schwere Faust. Lebhafte Bilder von Benton traten mir vor die Augen. Ich wusste nicht, ob ich darin eine Gnade oder eine noch größere Tragödie sehen sollte, dass wir unsere letzte gemeinsame Nacht nicht im selben Bett verbracht hatten.
Einerseits war ich mir nicht sicher, ob ich die frischen Erinnerungen an seine Berührung, seinen Atem, das Gefühl, ihn in den Armen gehalten zu haben, hätte ertragen können. Andererseits wollte ich ihn in meinen Armen spüren und sehnte mich danach, mit ihm zu schlafen. Meine Gedanken überschlugen sich und stürzten in dunkle Abgründe, um sich dann wieder in ganz konkreten Fragen zu verfangen wie der, was mit seinem Eigentum in meinem Haus, auch seiner Kleidung, geschehen sollte.
Seine Überreste würden nach Richmond geschickt werden müssen, und all meinem Wissen über den Tod zum Trotz hatten wir beide unserem eigenen Ende niemals viel Aufmerksamkeit gewidmet, auch solchen Fragen nicht, wie unsere Trauerfeier aussehen sollte oder wo wir beerdigt werden wollten. Wir hatten schlicht keine Lust gehabt, über unseren eigenen Tod nachzudenken, und folglich hatten wir es auch nicht getan. Die Interstate 95 South verschwamm vor meinen Augen, es schien, als ob dieser Highway durch stehen gebliebene Zeit in di e Ewigkeit führte. Wenn meine Augen sich mit Tränen füllten, wandte ich mich zum Fenster und verbarg mein Gesicht. Lucy saß stumm auf dem Rücksitz, und ihr Zorn, ihr Kummer und ihre Angst waren greifbar wie eine Mauer aus Beton.
»Ich quittiere den Polizeidienst«, sagte sie schließlich, als wir durch Fredericksburg fuhren. »Mir reicht's. Ich werde mir was anderes suchen. Vielleicht irgendwas mit Computern.«
»Einen Scheiß wirst du«, antwortete Marino und schaute ihr im Rückspiegel
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