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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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watete los, spritzend und beinah strauchelnd, da mir die Knie weich wurden. Bei meinem Anblick verstummten die Beamten, und im ersten Augenblick wusste ich nicht, was ich vor mir hatte, als ich dem Strahl ihrer Taschenlampen folgte und mein Blick auf etwas Verkohltes fiel, das mit durchweichtem Papier und Isoliermaterial vermischt war, etwas, das sich auf herabgefallenem Putz und geschwärzten Holzteilen befand.
    Dann erkannte ich die Form eines Gürtels und desse n Schnalle und den herausragenden Oberschenkelknochen, der wie ein dicker, verbrannter Stock aussah. Das Herz schlug mir im Hals, als das undefinierbare Etwas zu den verbrannten Überresten eines Körpers wurde. Sie waren mit einem geschwärzten Kopf verbunden, der kein Gesicht hatte, nur hier und da ein wenig rußiges, silbergraues Haar.
    »Zeigen Sie mir die Uhr«, sagte ich und starrte die Beamten mit wildem Blick an. Es war eine Herrenuhr, eine rostfreie Breitling aus Stahl, eine Aerospace.
    »Nein«, murmelte ich, während ich im Wasser niederkniete.
    »Bitte nicht.«
    Ich bedeckte das Gesicht mit den Händen. Mein Gehirn setzte aus. Mir wurde schwarz vor Augen, und ich begann zu schwanken. Eine Hand stützte mich. Galle kroch mir die Kehle empor.
    »Kommen Sie, Doc«, sagte eine männliche Stimme sanft, während Hände mir aufhalfen.
    »Nicht er«, schrie ich. »Oh Gott, mach, dass es nicht wahr ist, nicht er, bitte, bitte, bitte.«
    Ich schien mich nicht auf den Füßen halten zu können, und zwei Beamte mussten mir nach draußen helfen, während ich die Bruchstücke zusammenzuklauben versuchte, die von mir übrig geblieben waren. Ich sagte kein einziges Wort, während ich zur Straße zurückgeführt wurde, und mein Gang war seltsam hölzern, als ich auf McGoverns Explorer zuging. Sie saß mit Lucy auf der Rückbank und hielt ein blutdurchtränktes Handtuch um deren linke Hand.
    »Ich brauche einen Verbandskasten«, hörte ich mich zu McGovern sagen.
    »Vielleicht sollten wir sie besser ins Krankenhaus bringen«, tönte ihre Stimme zurück, während sie mich durchdringend ansah. Furcht und Mitleid leuchteten aus ihren Augen.
    »Geben Sie ihn mir«, sagte ich.
    McGovern langte hinter sich, über die Lehne der Rückbank, und griff nach dem Verbandskasten. Sie legte ihn auf den Sitz und öffnete die Verschlüsse. Lucy stand unter Schock. Sie zitterte heftig, und ihr Gesicht war weiß.
    »Sie braucht eine Decke«, sagte ich.
    Ich entfernte das Handtuch und wusch ihre Hand mit keimfreiem Wasser. Ein dicker Hautlappen an ihrem Daumen war nahezu abgetrennt, und ich betupfte ihn ausgiebig mit Betadin. Der Jodgeruch stach mir in die Nasenlöcher, während alles, was ich gerade gesehen hatte, zu einem Alptraum wurde. Es war nicht wahr.
    »Sie muss genäht werden«, sagte McGovern. Es war nicht wirklich geschehen. Es war nur ein Traum.
    »Wir sollten ins Krankenhaus fahren, damit das genäht werden kann.«
    Ich hatte jedoch bereits eine sterile Binde und den Benzolleim herausgeholt, weil ich wusste, dass Stiche bei einer Wunde wie dieser keinen Sinn haben würden. Die Tränen strömten mir über das Gesicht, als ich mein Werk mit einer dicken Lage Gaze krönte. Als ich den Kopf hob und aus dem Fenster blickte, ging mir auf, dass Marino an meiner Tür stand. Sein Gesicht war vor Schmerz und Zorn verzerrt. Er sah aus, als würde er sich gleich übergeben. Ich stieg aus.
    »Lucy, du musst jetzt mitkommen«, sagte ich und nahm sie beim Arm. Ich hatte schon immer besser funktioniert, wenn ich mich um jemand anderen kümmern konnte. »Komm.«
    Blaulichter zuckten uns über die Gesichter, und die Nacht und die Menschen, die sie umgaben, wirkten zusammenhanglos und seltsam. Marino fuhr mit uns los, als der Van der Gerichtsmediziner eintraf. Man würde Röntgenaufnahmen, Zahnschemata, vielleicht sogar eine DNS-Analyse heranziehen, um die Identifizierung zu bestätigen. Der ganze Prozess würde höchstwahrscheinlich eine Weile in Anspruch nehmen, doch das spielte keine Rolle. Ich wusste bereits Bescheid. Benton war tot.

17
     
    Soweit man den Gang der Ereignisse zu diesem Zeitpunkt überhaupt rekonstruieren konnte, war Benton in seinen grauenhaften Tod gelockt worden. Wir hatten keine Ahnung, wieso er den kleinen Lebensmittelladen auf der Walnut Street betreten hatte, oder ob man ihn vielleicht irgendwo anders entführt und dann gezwungen hatte, in diesem Laden in dem schäbigen Stadtviertel eine Leiter unters Dach hinaufzuklettern. Wir glaubten, dass man ihm irgendwann

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