Brandherd
gefunden hatte. Das Bild ihres Leichnams in der Badewanne mit einer pinkfarbenen Schwimmkappe auf dem Kopf war Grauen erregend, und was es bedeutete, ging fast über meinen Verstand. Als es im Badezimmer zum Flashover gekommen war, war die Tür der Dusche umgestürzt. Teile des Glases und die Wände der Wanne hatten den Körper geschützt, als die Flammen vom Brandherd bis an die Decke emporschlugen. Di e Temperatur in der Wanne war niemals über etwa fünfhundert Grad angestiegen, und ein kleines verräterisches Stückchen der Silikonschwimmkappe war aus dem ebenso schlichten wie kuriosen Grunde erhalten geblieben, dass die Duschtür alt war und aus einer dicken, soliden Glasscheibe bestand.
Auf der Heimfahrt hielt der Stoßverkehr mich auf und schien umso aggressiver zu werden, je eiliger ich es hatte. Mehrere Male hätte ich fast nach dem Telefon gegriffen, weil es mich verzweifelt danach drängte, Benton anzurufen und ihm mitzuteilen, was ich entdeckt hatte. Dann sah ich wieder Wasser und Trümmer in der hinteren Ecke eines ausgebrannten Lebensmittelgeschäfts in Philadelphia. Ich hatte vor Augen, was von der rostfreien Stahlarmbanduhr übrig geblieben war, die ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich sah, was von ihm selbst übrig geblieben war. Ich stellte mir vor, wie der Draht seine Fußgelenke gefesselt hatte und mit dem Schlüssel gesicherte Handschellen die Handgelenke. Ich wusste jetzt, was geschehen war und warum. Benton war wie die anderen getötet worden, nur dass es in seinem Fall aus Gehässigkeit, aus Rachsucht geschehen war, um die teuflische Lust zu befriedigen, die es für Carrie bedeutet haben musste, ihn zu ihrer Trophäe zu machen. Tränenblind bog ich in meine Auffahrt. Ich rannte, und primitive Laute entrangen sich meiner Kehle, als ich die Haustür hinter mir zuwarf.
Lucy tauchte aus der Küche auf. Sie trug khakifarbene Armeehosen und ein schwarzes T-Shirt und hielt eine Flasche Salatsauce in der Hand.
»Tante Kay!«, rief sie und lief auf mich zu. »Was ist denn, Tante Kay? Wo ist denn Marino? Mein Gott, es ist ihm doch nichts passiert?«
»Es ist nicht wegen Marino«, sagte ich mit erstickte r Stimme. Sie legte den Arm um mich und führte mich zur Couch im Wohnzimmer.
»Benton«, sagte ich, »genau wie die anderen.« Ich wimmerte.
»Wie Claire Rawley. Eine Schwimmkappe, um das Haar fern zu halten. Die Badewanne. Wie in der Chirurgie.«
»Was?« Lucy war verwirrt.
»Die wollten ihr Gesicht!«
Ich sprang von der Couch auf.
»Begreifst du denn nicht?«, schrie ich sie an. »Die Kerben in den Schläfenknochen, an den Unterkieferknochen. Wie beim Skalpieren, nur schlimmer! Der legt kein Feuer, um den Mord zu vertuschen! Der verbrennt alles, weil wir nicht wissen sollen, was er mit ihnen gemacht hat! Der stiehlt ihnen die Schönheit, alles was schön an ihnen ist, indem er ihnen die Gesichter wegnimmt!«
Lucys starrte mich vor Entsetzen mit halb geöffnetem Mund an. Dann stotterte sie: »Aber ... Carrie? Solche Sachen macht sie jetzt?«
»Oh nein«, sagte ich. »Sie macht das nicht alles allein.«
Ich ging auf und ab und rang die Hände.
»Es ist wie bei Gault«, sagte ich. »Sie sieht gern zu. Vielleicht hilft sie auch. Vielleicht hat sie bei Kellie Shephard alles vermasselt, oder Kellie hat sich einfach gegen sie gewehrt, weil Carrie eine Frau war. Dann ist es zu einem Kampf gekommen, bis Carries Partner eingegriffen und Kellie schließlich die Kehle durchgeschnitten hat, weshalb wir auch die Magnesiumspäne gefunden haben. Von seinem Messer, nicht von Carries. Er ist die Brandfackel, nicht Carrie. Und er hat Kellies Gesicht nicht genommen, weil es währen d des Kampfes einen Schnitt davongetragen hatte und ruiniert worden war.«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass sie das . auch . mit .?«, fragte Lucy stockend, die Hände im Schoß zu Fäusten geballt.
»Auch mit Benton gemacht haben?« Meine Stimme wurde noch lauter. »Ob ich glaube, dass sie auch ihm das Gesicht weggenommen haben?«
Ich trat gegen die holzgetäfelte Wand und lehnte mich dann dagegen. Ich erstarrte innerlich, und mein Hirn fühlte sich dunkel und leblos an.
»Carrie wusste, er konnte sich alles ausmalen, was sie womöglich mit ihm anstellen würde«, sagte ich langsam und leise.
»Dass sie jede Minute genießen würde, die er gefesselt dort saß. Während sie ihn mit dem Messer bedrohte. Ja. Ich glaube, dass sie dasselbe mit ihm gemacht haben. Genau gesagt, ich weiß es.«
Der letzte Gedanke ließ
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