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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wir aus Angst unser Leben aufgaben, würden wir immer noch sterben, nur auf eine Weise, die in Wirklichkeit noch schlimmer war.
    »Ich nehme an, alles war ruhig draußen?«, fragte ich, als Lucy zurückkehrte und zu mir in die Küche kam. Ich stellte Kaffee auf den Küchentisch, wo Lucy saß. Schweiß rann ihr über Schultern und Gesicht, und ich warf ihr ein Geschirrtuch zu. Sie zog Schuhe und Socken aus, und das Bild Bentons sprang mich an, der oft genau dort gesessen und dasselbe getan hatte. Er hatte mir nach dem Laufen gern noch einen kleinen Besuch abgestattet und ein bisschen in der Küche herumgetrödelt, um auszukühlen, ehe er duschte und sich in seinen piekfeinen Anzug und seine Nachdenklichkeit hüllte.
    »Ein paar Leute, die in Windsor Farms ihre Hunde ausführten«, sagte sie. »Keine Menschenseele in der unmittelbaren Nachbarschaft. Ich hab den Typ vom Wachschutz gefragt, ob noch irgendwas los gewesen sei, weitere Taxis oder Pizzalieferanten, die zu dir wollten. Ob irgendwelche merkwürdigen Anrufe gekommen wären oder unerwartete Besucher reinzufahren versucht hätten. Er hat verneint.«
    »Freut mich zu hören.«
    »Das ist doch alles Pipifax. Ich glaube nicht, dass sie das gewesen ist.«
    »Wer denn dann?« Ich war überrascht.
    »Tut mir ja Leid, dass ich das sagen muss, aber es laufen nun mal noch andere Leute rum, die dir nicht sonderlich gewogen sind.«
    »Ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Gefängnisbevölkerung.«
    »Und Leute, die nicht im Gefängnis sind, oder wenigstens noch nicht. Wie diese Christian Scientists, mit deren Kind du zu tun hattest. Könnten die nicht auf die Idee gekommen sein, dich zu schikanieren? Indem sie Taxis schicken und einen Schuttcontainer oder frühmorgens im Leichenschauhaus anrufen und den Hörer auflegen, wenn der arme Chuck drangeht? Das fehlte dir noch, ein Assistent, den es so gruselt, dass er nicht mehr allein in deinem Gebäude sein will. Oder schlimmer noch, der Typ kündigt. Pipifax«, sagte sie wieder, »kleinkarierter, gehässiger Pipifax, den irgendein vernageltes, kleinkariertes Hirn ersonnen hat.«
    An so etwas hatte ich bislang nicht im Entferntesten gedacht.
    »Kriegt er denn immer noch diese Anrufe, und dann legt jemand auf?«
    Sie musterte mich, während sie ihren Kaffee trank, und durch das Fenster, in Höhe des Spülbeckens, sah man die Sonne wie eine Mandarine an einem dämmerig blauen Horizont.
    »Das lässt sich ja leicht herausfinden«, sagte ich. Ich nahm den Hörer hoch und wählte die Nummer der Leichenhalle. Chuck antwortete umgehend.
    »Leichenhalle«, sagte er nervös.
    Es war noch nicht einmal sieben, und ich vermutete, dass er allein war.
    »Scarpetta«,sagte ich.
    »Oh!« Er war hörbar erleichtert. »Guten Morgen.«
    »Chuck - was ist denn mit diesen Anrufen? Kriegen Sie die immer noch?«
    »Ja, Ma'am.«
    »Der andere sagt kein Wort? Man hört nicht mal jeman d atmen?«
    »Manchmal denke ich, ich höre Verkehrslärm im Hintergrund, wie wenn jemand irgendwo aus der Telefonzelle anruft.«
    »Ich habe eine Idee.«
    »Ja?«
    »Wenn es das nächste Mal passiert, möchte ich, dass Sie sagen: Guten Morgen, Mr. undMrs. Quinn.«
    »Was?« Chuck war verblüfft.
    »Tun Sie's einfach«, sagte ich. »Ich hab so eine Ahnung, dass die Anrufe dann aufhören.«
    Lucy lachte, als ich auflegte.
    »Touche«, sagte sie.

21
     
    Nach dem Frühstück wanderte ich zwischen Schlafzimmer und Arbeitszimmer hin und her und beratschlagte mit mir, was ich auf unseren Flug mitnehmen sollte. Meinen Aluminiumkoffer natürlich - er war mir inzwischen zu einem ständigen Begleiter geworden. Außerdem packte ich eine zusätzliche Hose und ein Hemd ein und meine Toilettentasche für die Übernachtung. Mein achtunddreißiger Colt kam in die Handtasche. Wenn ich auch daran gewöhnt war, einen Revolver zu tragen, war es mir doch nie eingefallen, ihn mit nach New York zu nehmen, wo sie einen kurzerhand ins Gefängnis steckten, wenn man damit erwischt wurde. Als Lucy und ich im Auto saßen, erzählte ich es ihr.
    »Das nennt man situative Ethik«, sagte sie. »Lieber bin ich verhaftet als tot.«
    »So sehe ich es auch«, sagte ich, die einmal eine gesetzestreue Bürgerin gewesen war.
    HeloAir war ein Hubschraubercharterdienst am westlichen Rand des Flughafens von Richmond, wo einige der Fortune-500-Firmen aus der Gegend ihre Terminals für firmeneigene King Airs, Lear Jets und Sikorskys hatten. Der Bell JetRanger stand im Hangar, und während Lucy sich dorthin begab,

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