Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Gewichtsverlust, Durst, häufiges Wasserlassen - verzeichnet. Nichts, das Insulin nicht hätte heilen können. Was nicht heißen soll, dass ich nicht an Gebete glaube, auch wenn die Familie den Reportern das Gegenteil erzählt hat.«
    Sonny Quinn war der elfjährige Sohn eines Paares, das zu den Christian Scientists gehörte. Er war vor acht Wochen gestorben, und obwohl nie irgendein Zweifel an seiner Todesursache bestanden hatte, jedenfalls nicht in meinem Kopf, hatte ich nichts für abgeschlossen erklärt, ehe nicht weitere Untersuchungen und Tests durchgeführt worden waren. Kurz, der Junge war gestorben, weil er keine angemessene ärztliche Behandlung erhalten hatte. Seine Eltern hatten heftig gegen die Autopsie protestiert. Sie waren ins Fernsehen gegangen und hatten mich der religiösen Verfolgung und der Verstümmelung der Leiche ihres Kindes bezichtigt.
    Rose, die immer wieder hatte miterleben müssen, welche Empfindungen dieser Fall in mir auslöste, fragte: »Wollen Sie sie anrufen?«
    »Wollen ist nicht der richtige Ausdruck. Also - ja.«
    Sie blätterte in Sonny Quinns dicker Fallakte und kritzelte eine Telefonnummer auf ein Blatt Papier.
    »Viel Glück«, sagte sie, als sie ins Nebenzimmer hinüberging. Ich wählte und machte mich auf einen grauenhaften Anruf gefasst.
    »Mrs. Quinn?«, fragte ich, als eine Frau antwortete.
    »Ja.«
    »Kay Scarpetta. Ich habe die Ergebnisse von Sonnys ...«
    »Haben Sie uns noch nicht genug wehgetan?«
    »Ich dachte, Sie würden vielleicht wissen wollen, warum Ihr Sohn gestorben ist ...«
    »Sie brauchen mir nichts über meinen Sohn zu erzählen«, sagte sie bissig.
    Mit hämmerndem Herzen hörte ich, wir ihr jemand den Hörer aus der Hand nahm.
    »Quinn hier«, sagte der Mann, der den Schild der religiösen Freiheit vor sich hertrug, mit dem Ergebnis, dass sein Sohn tot war.
    »Sonnys Todesursache war eine akute Lungenentzündung infolge akuter diabetischer Ketoacidose, diese wiederum infolge eines akuten Schubs von Diabetes mellitus. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen wehtun musste, Mr. Quinn.«
    »Das ist alles ein Missverständnis. Ein Irrtum.«
    »Es gibt kein Missverständnis, Mr. Quinn. Keinen Irrtum«, sagte ich, und es gelang mir gerade noch, den Zorn in meiner Stimme zu dämpfen. »Ich kann Ihnen nur empfehlen, Ihre anderen Kinder sofort in ärztliche Behandlung zu geben, wenn sie dieselben Symptome zeigen wie Sonny. Dann brauchen Sie auch nicht wieder durchzumachen, was Sie diesmal durchgemacht haben ...«
    »Ich lasse mir doch nicht von irgendeinem Medica l Examiner sagen, wie ich meine Kinder großzuziehen habe«, sagte er eisig.
    »Meine Dame, ich sehe Sie vor Gericht.«
    Da kannst du sicher sein, dachte ich, denn ich wusste, dass er und seine Frau mit einer Anklage wegen Kindesmisshandlung und mangelnder Sorgfaltspflicht zu rechnen hatten.
    »Verschonen Sie uns mit weiteren Anrufen«, sagte Mr. Quinn und hängte einfach ein.
    Ich legte bedrückt den Hörer auf und sah, als ich den Blick hob, unmittelbar vor meiner Tür Teun McGovern im Flur stehen. Ihre Miene sagte mir, dass sie jedes einzelne Wort mitbekommen hatte.
    »Kommen Sie herein, Teun«, sagte ich.
    »Und ich hatte mir eingebildet, nur ich hätte einen harten Job.«
    Ihr Blick war auf mich gerichtet, als sie sich einen Stuhl nahm und sich unmittelbar mir gegenüber setzte. »Ich weiß zwar, dass Sie so was ständig machen müssen, aber ich habe es wohl nie wirklich miterlebt. Nicht dass ich nicht die ganze Zeit mit Familien reden müsste, aber Gott sei Dank ist es nicht meine Aufgabe, ihnen in allen Einzelheiten zu erzählen, was das Einatmen von Rauch in der Luftröhre oder der Lunge ihrer Liebsten bewirkt hat.«
    »Das ist der schlimmste Teil des Jobs überhaupt«, sagte ich, und das niederdrückende Gefühl wollte nicht weichen.
    »Vermutlich sind Sie der Bote, den man am liebsten umbringen würde.«
    »Nicht immer«, sagte ich und wusste bereits, in der Einsamkeit meines schutzlosen Innern würden die anklagenden, erbitterten Worte der Quinns bis ans Ende meiner Tage nachhallen. Es gab mittlerweile so viel e Stimmen, Schreie und Gebete, die von Zorn und Schmerz erfüllt waren und manchmal Anklage gegen mich erhoben, weil ich es gewagt hatte, an die Wunden zu rühren, und weil ich ihnen Gehör schenkte. Ich wollte mit McGovern nicht darüber reden. Ich wollte sie nicht näher an mich heranlassen.
    »Ich habe noch einen Anruf zu erledigen«, sagte ich. »Wenn Sie uns also Kaffee holen möchten? Oder

Weitere Kostenlose Bücher