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Brandherd

Brandherd

Titel: Brandherd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Arbeit, er stand in einem furchtbaren Konflikt mit seiner Umgebung. Und sie brachte ihn langsam um.
    »Tun Sie mir bloß einen Gefallen«, sagte ich, die Hand an der Tür.
    Er wischte sich mit dem Hemdärmel übers Gesicht und holte seine Zigaretten heraus.
    »Verleiten Sie Lucy nicht zu vorschnellen Schlüssen«, sagte ich.
    »Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Problem die örtliche Ermittlungsbehörde und die Lokalpolitik sind. Marino, ich glaube nicht, dass wir uns dem, worum es hier geht, auch nur angenähert haben, also lassen Sie uns auch bitte noch niemanden kreuzigen.«
    »Ich bin erstaunt«, sagte er. »Nach allem, was dieser Scheißkerl getan hat, um Sie aus dem Amt zu drängen. Und jetzt ist er auf einmal ein Heiliger?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass er ein Heiliger ist. Offen gesagt, ich kenne gar keine Heiligen.«
    »Sparkes-der-Mann-der-die-Frauen-liebt«, fuhr Marin o fort.
    »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich mich fragen, ob Sie nicht ein Auge auf ihn geworfen haben.«
    »Dafür ist mir jegliche Antwort zu schade.«
    Ich trat hinaus auf die Veranda und fühlte mich versucht, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen.
    »Klar. Das, was alle sagen, wenn sie schuldig sind.«
    Er trat hinter mir hinaus.
    »Glauben Sie bloß nicht, dass ich nicht merke, wenn Sie und Wesley Probleme miteinander haben .«
    Ich drehte mich zu ihm um und zielte mit dem Zeigefinger auf ihn wie mit einer Pistole.
    »Kein Wort mehr«, sagte ich warnend. »Halten Sie sich aus meinen Angelegenheiten raus, und wagen Sie es nicht, meine Professionalität in Zweifel zu ziehen, Marino. Ausgerechnet Sie sollten es besser wissen, verdammt noch mal.«
    Ich ging die Stufen hinunter und stieg in meinen Wagen. Langsam und mit offensichtlicher Geübtheit setzte ich rückwärts aus der Einfahrt raus. Ich sah ihn nicht an, als ich losfuhr.

13
     
    Der Montagmorgen brach mit einem Unwetter an. Prasselnder Regen und heftige Winde peitschten durch die Stadt. Ich fuhr mit schnell laufenden Scheibenwischern zum Dienst und hatte wegen der beschlagenen Scheiben die Klimaanlage eingeschaltet. Als ich mein Fenster runterließ, um eine Marke in den Mautautomaten zu werfen, wurde der Ärmel meines Kostüms klatschnass, und ausgerechnet an diesem Tag mussten die Leichenwagen zweier Bestattungsunternehmen gleichzeitig in der Tiefgarage parken, sodass ich den Wagen draußen abstellen musste. Die fünfzehn Sekunden, die ich brauchte, um über den Parkplatz zu hasten und die rückwärtige Tür zu meinem Gebäude aufzuschließen, waren die reinste Strafe. Ich war völlig durchnässt. Wasser troff mir aus dem Haar, und meine Schuhe quietschten, als ich die Tiefgarage durchquerte. Ich prüfte das Eingangsbuch im Besprechungszimmer, um festzustellen, was während der Nacht reingekommen war. Ein Kleinkind war im Bett seiner Eltern gestorben. Eine ältere Frau hatte sich anscheinend mit einer Überdosis Tabletten umgebracht, und natürlich hatte es in einem der sozialen Wohnungsbauprojekte am Rande des inzwischen halbwegs gesitteten und gesünderen Innenstadtbereiches wieder eine Schießerei wegen Drogen gegeben. In den letzten Jahren war die Stadt als eine der gewalttätigsten in den Vereinigten Staaten eingestuft worden: Nicht weniger als einhundertsechzig Tötungsdelikte im Jahr kamen auf eine Einwohnerzahl von weniger als einer Viertelmillion. Man gab der Polizei die Schuld. Selbst mir, wenn die Statistiken, die meine Dienststelle herausgab, de n Politikern nicht passten oder die Verurteilungen sich hinauszögerten. Der Aberwitz des Ganzen empörte mich immer wieder aufs Neue, denn es schien den Mächtigen nicht in den Sinn zu kommen, dass es so etwas wie vorbeugende Medizin gibt, und die ist letztlich der einzige Weg, eine tödliche Krankheit aufzuhalten. Es ist doch sicher besser, gegen Kinderlähmung zu impfen, als sich damit auseinander zu setzen, wenn es zu spät ist. Ich schloss das Eingangsbuch und verließ das Besprechungszimmer. Mit nassen Schuhen lief ich den menschenleeren Flur hinunter.
    Ich bog in den Umkleideraum ein, weil mir bereits kalt wurde. Eilends entledigte ich mich meines klebrigen Kostüms und der Bluse und kämpfte mich in meine Arbeitskleidung, die immer umso widerspenstiger wurde, je hastiger ich war. Ich zog meinen Laborkittel an, trocknete mein Haar mit einem Handtuch und fuhr mir mit den Fingern hindurch, damit es mir nicht in die Augen hing. Das Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenstarrte, sah sorgenvoll und

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