Brandherd
bleiben Sie einfach eine Minute sitzen. Es wird Sie sicher interessieren, was ich herausfinde.«
Ich rief die University of North Carolina in Wilmington an, und obwohl es noch nicht ganz neun Uhr war, war die Registratur besetzt. Der Beamte war geradezu übertrieben höflich, aber nicht im Geringsten hilfsbereit.
»Ich habe volles Verständnis für Ihren Anruf, und glauben Sie mir, wir würden Ihnen furchtbar gern helfen«, sagte er. »Aber nicht ohne gerichtliche Anordnung. Wir können doch nicht einfach beschließen, die persönlichen Daten eines unserer Studenten preiszugeben. Und schon gar nicht telefonisch.«
»Mr. Shedd, wir sprechen von einem Mord«, erinnerte ich ihn und merkte, wie mir langsam der Geduldsfaden riss.
»Ich verstehe«, sagte er wieder.
Das ging eine Weile so weiter und führte zu keinem Ergebnis. Schließlich gab ich es auf und beendete das Gespräch. Ich war entmutigt, als ich meine Aufmerksamkeit wieder McGovern zuwandte.
»Die wollen nur ihren Arsch nicht hinhalten müssen, falls die Familie ihnen hinterher aufs Dach steigt.« McGovern sagte mir damit nichts Neues. »Die erwarten von uns, dass wir ihnen keine andere Wahl lassen, also werden wir wohl dafür sorgen.«
»Genau«, sagte ich stumpf. »Was führt Sie denn hierher?«
»Ich komme wegen der Laborergebnisse. Einige habe ich bereits vorliegen. Ich hatte Freitagabend angerufen«, sagte sie.
»Das wäre mir neu.«
Ich war verstimmt. Falls die Spurensicherung McGovern vor mir angerufen hatte, würde ich denen ernsthaft die Leviten lesen müssen. Ich nahm den Hörer und rief Mary Chan an, eine junge Gerichtsmedizinerin, die noch neu im Labor war.
»Guten Morgen«, sagte ich. »Ich höre, Sie haben irgendwelche Berichte für mich?«
»Ich wollte sie gerade runterbringen.«
»Sind es dieselben, die Sie an das ATF geschickt haben?«
»Ja, die. Ich kann sie faxen oder sie Ihnen persönlich bringen.«
Ich gab ihr meine Faxnummer im Büro und ließ mir meinen Ärger nicht anmerken. Eine Bemerkung konnte ich mir jedoch nicht verkneifen.
»Mary, für die Zukunft merken Sie sich am besten, dass Sie über meine Fälle zuallererst mich informieren, ehe Sie Laborresultate an Dritte weitergeben.«
»Es tut mir Leid«, sagte sie, und ihre Stimme ließ keinen Zweifel daran. »Die Ermittlungsbeamtin hat um fünf angerufen, als ich schon mit einem Bein aus der Tür war.«
Die Berichte lagen zwei Minuten später vor mir auf dem Tisch, und McGovern öffnete ihre ramponierte Aktenmappe, um ihre Kopien herauszuholen. Sie beobachtete mich, während ich las. Der erste Bericht war eine Analyse der metallähnlichen Späne, die ich in de r Schnittwunde der Toten im linken Schläfenbereich entdeckt hatte. Der elektronenmikroskopischen und der Röntgenuntersuchung zufolge handelte es sich zweifelsfrei um Magnesium.
Was die geschmolzenen Reste aus dem Haar des Opfers betraf, so waren die Resultate ebenfalls unerklärlich. Die Spektrometeruntersuchung zeigte die charakteristischen Muster für Kunststoffe oder Silikon.
»Ein bisschen merkwürdig, finden Sie nicht?«, fragte McGovern mich.
»Fangen wir mal mit dem Magnesium an«, sagte ich. »Was mir dazu einfällt, ist Seewasser. Darin ist reichlich Magnesium. Oder Bergbau. Oder die betreffende Person war ein Industriechemiker oder arbeitete in einem Forschungslabor. Wie steht's mit Zündstoffen?«
»Wenn Kaliumchlorid vorkäme, dann ja. Das könnte Zündpulver sein«, antwortete sie. »Oder Bleiazid, Knallquecksilber, Salpetersäure, Schwefelsäure, Ammoniumnitrat und so weiter und so weiter. Und ich muss auch hinzufügen, dass Pepper auf solche hochexplosiven Stoffe angesprungen wäre.«
»Und Magnesium?«, fragte ich.
»Pyrotechnik oder Feuerwerk«, sagte sie. »Um das strahlend weiße Licht zu bekommen. Oder Leuchtkugeln.« Sie zuckte die Achseln. »Wenn man dafür auch lieber Aluminiumpuder nimmt, weil es sich besser hält, es sei denn, die Magnesiumpartikel sind mit irgendwas beschichtet, sagen wir mit Leinöl.«
»Leuchtkugeln«, überlegte ich laut. »Man zündet Leuchtkugeln an, deponiert sie an strategisch günstigen Stellen und geht weg? Das könnte einem doch immerhin ein paar Minuten einbringen.«
»Mit dem geeigneten Brennstoff schon.«
»Doch das erklärt noch nicht, weshalb es in ihrer Wunde unverbrannte Späne davon gibt, was die Vermutung nahe legt, dass sie von dem scharfen Instrument stammen, mit dem sie geschnitten wurde.«
»Bei der Messerherstellung verwendet man aber
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