Brandherd
Menschen, der ermordet worden ist«, setzte ich hinzu.
»Jetzt nerven Sie mich aber gewaltig«, sagte sie.
»Das liegt nicht in meiner Absicht, kann ich Ihnen versichern.«
»Als ob es mir egal wäre, dass jemand ermordet worden ist - wollen Sie das andeuten? Sie glauben, dass ich es im Leben so weit gebracht habe, weil es mir scheißegal ist, wer irgendwo ein Feuer gelegt hat und warum?«
Sie schob die Ärmel hoch, als machte sie sich zum Kampf bereit.
»Teun«, sagte ich, »ich habe hierfür keine Zeit, denn ich halte es nicht für konstruktiv.«
»Es geht um Lucy. Sie glauben, dass ich Ihren Platz einnehmen will oder weiß der Himmel was. Darum geht es doch die ganze Zeit, Kay, oder etwa nicht?«
Jetzt machte sie mich auch wütend.
»Sie und ich haben doch vorher schon zusammengearbeitet, stimmt's?«, fuhr sie fort. »Wir haben bislang nie ein nennenswertes Problem miteinander gehabt. Also muss man sich doch fragen, was sich verändert hat. Ich glaube, die Antwort liegt auf der Hand. Der Unterschied zu früher ist, dass Ihre Nichte in diesem Augenblick, da wir uns unterhalten, ihre neue Wohnung in Philadelphia bezieht, um künftig in meiner Außenstelle zu arbeiten, unter meiner Anleitung. Meiner. Nicht Ihrer. Und das gefällt Ihnen nicht. Und soll ich Ihnen noch was sagen? Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde mir das vielleicht auch nicht gefallen.«
»Das ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für diese Diskussion«, sagte ich in bestimmtem Ton.
»Na prima.«
Sie stand auf und hängte sich ihre Jacke über den Arm.
»Dann gehen wir eben woanders hin«, verkündete sie. »Ich habe die Absicht, diese Sache zu regeln, ehe ich wieder nach Norden fahre.«
Für einen Augenblick war ich matt gesetzt, obwohl ich mich hinter dem Bollwerk meines Schreibtisches verschanzt hatte, dieser Festung von Aktenordnern, der schützenden, mühseligen Pflichtlektüre von Zeitschriftenartikeln, der ungezählten Nachrichten und Briefe, die mich niemals aus ihren Klauen ließen. Ich nahm meine Brille ab und massierte mein Gesicht. Wenn ich McGovern nur verschwommen sah, war es einfacher für mich.
»Ich lade Sie zum Essen ein«, sagte ich, »wenn Sie bereit sind, hier noch drei Stunden auszuharren. Unterdessen« - ich stand auf - »muss ich dringend einen Topf Knochen zum Kochen bringen. Sie können mitkommen, wenn Sie einen starken Magen haben.«
»Damit können Sie mich nicht verschrecken.« McGovern schien erfreut.
McGovern war nicht der Typ, der geduldig auf jemanden wartete, und so hielt sie es, nachdem ich den Brenner im Leichenraum angestellt hatte, gerade so lange aus, bis der Dampf aufstieg.
Dann machte sie sich auf den Weg zur Richmonder Außenstelle des ATF. Überraschenderweise kehrte sie binnen einer Stunde wieder zurück. Außer Atem und angespannt kam sie herein. Ich rührte gerade vorsichtig in den vor sich hin köchelnden Knochen.
»Wir haben wieder einen«, sagte sie hastig.
»Wieder einen was?« fragte ich.
Ich legte den langen Plastiklöffel auf einer Arbeitsplatte ab.
»Noch so einen merkwürdigen Brand. Diesmal in Lehigh County, ungefähr eine Stunde von Philadelphia entfernt«, sagte sie. »Begleiten Sie mich?«
Ich überschlug, was passieren konnte, wenn ich alles liegen und stehen ließ und mit ihr fuhr. Auf jeden Fall missfiel mir die Vorstellung, fünf Stunden allein mit ihr in einem Auto zu sitzen.
»Diesmal ist es ein Wohnhaus«, fuhr sie fort. »Das Feuer ist gestern frühmorgens ausgebrochen, und man hat eine Leiche gefunden. Eine Frau. Im Badezimmer.«
»Oh nein«, stöhnte ich.
»Sicher ist, dass das Feuer vertuschen sollte, dass sie ermordet wurde«, sagte sie und erklärte, weshalb der Fall möglicherweise mit dem in Warrenton zusammenhing.
Als man die Leiche entdeckt hatte, hatte die Staatspolizei von Pennsylvania unverzüglich Unterstützung beim ATF angefordert. Dann hatten die ATF-Brandermittler am Tatort Daten in ihre Laptops eingegeben, und ESA hatte fast sofort einen Treffer gelandet. Bis gestern Abend hatte der Lehigh-Fall enorm an Bedeutung gewonnen, das FBI hatte angeboten, einige seiner Beamten und Benton zu schicken, und die Staatspolizei hatte angenommen.
»Das Haus ist auf einer Felsplatte erbaut worden«, erläuterte McGovern, als wir auf die I-95 North fuhren. »Also gibt's Gott sei Dank kein Kellergeschoss, mit dem wir uns herumschlagen müssen. Unsere Jungs sind heute seit drei Uhr früh dort, und das Merkwürdige ist, dass das Feuer
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