Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
hervor und machte mich auf den Weg.
Es gelang mir, aus dem Haus zu schlüpfen, ohne Mr. Contreras, Peppy oder Vinnie, den Bankmenschen, auf mich aufmerksam zu machen. Das herbstliche Zwielicht hatte eingesetzt, aus Grau und Purpur, das schnell in Schwarz überging. Kein Passant konnte meinen bestückten Gürtel ausmachen. Ich packte ihn mit dem Klapptritt in den Kofferraum des Chevy und fuhr die vier Blocks zum Belmont Diner, um dort zu Abend zu essen. Nach einem Teller herzhafter Kohlsuppe und Brathuhn mit Kartoffelbrei fühlte ich mich zu vollgestopft für mein Abenteuer.
Völlerei ist ein schrecklicher Feind des Privatdetektivs. Ich mußte eine gute Stunde warten, vielleicht sogar noch länger, ehe ich auf die Strecke gehen konnte. Du bist widerlich, schimpfte ich im stillen mit mir, als ich bezahlte. Peter Wimsey und Philip Marlowe hatten nie solche Probleme.
Als ich wieder im Chevy saß, trommelte ich mit den Fingern gegen das Lenkrad. Wenn ich zur Wohnung zurückfuhr, standen die Chancen günstig, daß ich dem alten Mann über den Weg lief. Falls sein eifersüchtiger sechster Sinn ihm sagte, ich sei unterwegs zu einem Abenteuer, würde ich ihn möglicherweise nicht mehr los. Ich hatte keine Lust, ins Kino zu gehen. Ich hatte auch keine Lust, mit einem Roman in meinem Büro zu sitzen.
Ich ließ das Auto an und fuhr nach Norden, zur Estes Avenue. Der Chevy schien wieder ganz brav zu sein – vielleicht hatte ich es mir nur eingebildet, daß der Motor ächzte.
Es war gerade acht, als ich zum Haus von Saul Seligman kam, nicht zu spät, um einem alten Mann einen Besuch abzustatten. Ich sah einen schwachen Lichtschimmer hinter den dicht verhängten Fenstern. Ein neuer Chrysler stand direkt vor dem Haus. Ich parkte unmittelbar dahinter und ging den Gehweg entlang, um zu klingeln.
Nach langem Warten wurde aufgeschlossen. Seligmans ältere Tochter, Barbara Feldman, kam an die Tür. Sie war fast fünfzig, sehr gepflegt, ohne nach der neuesten Mode gekleidet zu sein, mit gefärbtem rötlichen Haar, das sorgfältig in Wellen gelegt war, mit maßgeschneiderten Hosen und passendem Pullover, aber beides bequem.
Sie schaute mich mit unbestimmbarem Gesichtsausdruck an, erinnerte sich nicht mehr an meinen Besuch bei ihr zu Hause in Northbrook.
»Ich bin V.I. Warshawski«, sagte ich so laut, daß es durch das Glas drang. »Die Privatermittlerin, die letzte Woche wegen des Brandes im Indiana Arms bei Ihnen war.«
Mrs. Feldman machte die Tür einen Spalt weit auf, damit sie mit mir reden konnte, ohne zu brüllen. »Meinem Vater geht es heute abend nicht gut. Er kann niemanden empfangen.«
Ich nickte mitfühlend. »Der Tod von Mrs. Donnelly muß ihn furchtbar aufgeregt haben. Deshalb bin ich hier. Wenn es ihm wirklich so schlecht geht, bleibe ich nicht lange, aber es ist möglich, daß er etwas weiß, das mir hilft, den Mörder zu finden.«
Sie runzelte die Stirn. »Die Polizei war schon hier. Er weiß gar nichts.«
»Vielleicht hat ihm die Polizei nicht die richtigen Fragen gestellt. Ich glaube, daß ich das kann.«
Sie dachte darüber nach, saugte an ihrer Oberlippe, dann machte sie die Tür zu. Wenigstens schloß sie die vielen Schlösser nicht ab. Während ich darauf wartete, daß sie zurückkam, machte ich ein paar Streckübungen. Ich wollte nicht mit einem Sprung über anderthalb Meter hinweg scheitern, nur weil ich mich nicht aufgelockert hatte. Ein Paar, das mit einem Hund an der Leine vorbeiging, beäugte mich neugierig, sagte aber nichts.
Nach etwa fünf Minuten kam Mrs. Feldman zurück. »Mein Vater sagt, Sie könnten ihm überhaupt nicht helfen, Sie sorgten nur für Ärger. Er glaubt, Sie seien schuld am Tod von Tantchen Rita.«
Es ist immer beunruhigend, wenn ein erwachsener Mensch in Kindersprache über Freunde und Verwandte spricht – als wäre die Welt um diesen Menschen herum so geschrumpft, daß Tantchen Rita oder Mama oder Papa für jeden, der es hört, dasselbe bedeutet.
»Nein«, sagte ich geduldig. »Dafür kann ich nichts. Es ist jedoch möglich, daß Mrs. Donnelly etwas wußte, das die Person, die das Indiana Arms in Brand gesteckt hat, nicht enthüllen wollte. Vielleicht hat Mrs. Donnelly nicht einmal gewußt, daß es ein lebensgefährliches Geheimnis war. Wenn ich mit Mr. Seligman rede, bekommen wir vielleicht heraus, worüber sie gesprochen haben, als sie zum letzten Mal zusammenkamen. Das gäbe mir vielleicht einen Anhaltspunkt dafür, warum Mrs. Donnelly umgebracht wurde. Und das kann
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