Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
lassen, seit sie vor zehn Tagen weggelaufen ist.«
Ich schlug die leerstehenden Gebäude in der Near South Side vor, und er versprach, ein Streifenteam hinzuschicken und sie durchsuchen zu lassen. Die Kumpel seien alle bei ihm, um sich das Spiel anzuschauen – er wolle nicht allzuviel davon verpassen, sich aber im Lauf der Woche bei mir melden.
Gleich nachdem er aufgelegt hatte, klingelte das Telefon. Es war Onkel Peter, der wegen meines Briefs vor Wut schäumte: Wofür ich ihn hielte, für einen Kretin, der seine Kinder einer Person wie Elena aussetzte?
»Ist in Ordnung, Peter – sie ist verschwunden. Niemand will was von dir.« In Wahrheit hatte ich vor, morgen im Reese anzurufen und mich zu vergewissern, daß sie seinen Namen und seine Adresse hatten und ihn als Elenas finanziellen Bürgen betrachteten, aber ich hielt es für nicht besonders hilfreich, wenn er das schon heute nachmittag erfuhr.
Die Nachricht besänftigte ihn nicht. »Krieg das ein für allemal in den Kopf, Vic – wenn ich mich mit Versagern hätte abgeben wollen, wäre ich nicht aus Chicago weggezogen. Wenn dich das kränkt, tut es mir leid, aber ich will für meine Kinder mehr, als Tony für dich gewollt hat.«
Ich war im Begriff, einen großangelegten Gegenangriff zu führen, ihm zu sagen, Tony habe nicht gewollt, daß ich im Dreck lebte, aber schon, als ich damit anfing, begriff ich, wie sinnlos das war. Peter und ich hatten das schon oft durchgekaut. Ich legte auf, ohne mich zu verabschieden.
Ich ging ans Fenster zurück und schaute hinunter auf die tristen Bungalows gegenüber. Vielleicht hätte Tony eine Villa in Winnetka für mich gewollt, aber er kannte nur Bungalows und Häuser ohne Fahrstuhl – er hätte nicht geglaubt, daß so etwas nicht gut genug für mich sei.
Mein Streit mit Peter hatte mich mehr erschöpft als die Herumschlepperei des tropischen Regenwaldes heute morgen. Wenn ich heute nacht über die Dächer schleichen wollte, brauchte ich Ruhe. Ich stellte die Telefone ab und fiel ins Bett.
31 Hausbesuch
Es war sechs, als ich aufwachte. Meine Schultermuskeln waren steif geworden, eine Nachwirkung vom Tragen der Blumen von Ralph MacDonald. Ich hätte die Schultern gern unter der heißen Dusche gelockert. Mit den Gazeverbänden ging das nicht. Und bei der bevorstehenden Anstrengung brauchte ich geschützte Hände.
Obwohl ich etwas Erdnußbutter gegessen hatte, während ich den Bears zuschaute, hatte ich heute noch keine richtige Mahlzeit gehabt. Ich hatte noch immer nichts Richtiges zu essen im Haus. Ich hatte vorgehabt, Robin darum zu bitten, daß er mich gestern zum Laden fuhr, aber nach seinem Schreckschuß hatte ich nicht mehr daran gedacht. Ich glaubte nicht, daß ich ohne Abendessen wie Santa Claus durchs Dach kommen konnte.
Ich zog lange Unterwäsche an und darüber einen schwarzen Baumwollpullover. Vielleicht war es kalt auf den Dächern, und ich wollte nichts so Umfangreiches – oder Sichtbares – wie ein Jackett tragen. Jeans und meine schwarzen Basketballstiefel vervollständigten das Ensemble, das der gutgekleidete Einbrecher in diesem Jahr trug. Ich brauchte außerdem eine dunkle Mütze oder einen Schal, damit sich kein Licht auf meinem Gesicht oder Haar widerspiegelte. Ich wühlte in den Schubladen und fand ein Vierecktuch aus weichem schwarzen Leinen, das mir Eileen Mallory letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich glaubte nicht, daß das eingewebte Muster aus Grün und Blau bei Nacht auffallen würde.
Wenn ich meine Pistole trage, dann meistens in einem Schulterhalfter. Weil ich heute abend auch ein paar Werkzeuge brauchte, holte ich einen alten Polizeigürtel heraus, mit einem Halfter und Ösen, an denen man Handschellen und einen Gummiknüppel befestigen konnte.
Meine beste Taschenlampe lag unter dem Schutt des Prairie Shores begraben, aber irgendwo hatte ich noch eine. Nachdem ich die Schränke in Eßzimmer und Diele auf den Kopf gestellt hatte, fand ich sie hinter dem Kühlschrank. Sie fühlte sich zwar etwas fettig an, aber die Batterie funktionierte noch. Ich zog ein Stück Schnur durch die Öse am Griff und band sie an den Gürtel. Ein kleiner Hammer, ein Schraubenzieher und ein dunkles Handtuch vervollständigten meine Ausrüstung. Früher hatte ich eine Garnitur Dietriche besessen, die mir in meiner Zeit als Pflichtverteidigerin ein dankbarer Mandant geschenkt hatte, aber die Polizei hatte sie vor mehreren Jahren konfisziert. Ich holte auch meinen Klapptritt hinter dem Kühlschrank
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