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Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Titel: Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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länger vor Augen führen, aber ich zwang mich wenigstens dazu, über das nachzudenken, was er gesagt hatte. Rita Donnelly hat irgend etwas verheimlicht. Ich hätte ihr damals nachdrücklicher auf den Zahn fühlen sollen, was ihre Töchter anlangte, aber das schien mir etwas rein Persönliches zu sein. Wenn es nicht die Vaterschaft war, was sie verheimlicht hatte, was war es dann, wovon sie nicht wollte, daß es bekannt wurde?
    Die Ampel am McCormick Boulevard blieb so lange rot, daß erst wildes Hupen hinter mir mich aus den Gedanken riß. Erschrocken machte ich einen Satz über die Kreuzung, die Ampel sprang schon wieder auf Gelb, und ein wütender Fahrer, der an mir vorbeiraste, zeigte mir den Vogel.
    Als ich auf dem Edens Expressway hundert fuhr, behinderte mich die handtuchumwickelte Hand so sehr, daß ich an nichts als an Auto und Verkehr denken konnte. Ich ordnete mich in die rechte Spur ein und verlangsamte auf achtzig. Als ich um die Baustellen in der Roosevelt Road herumfuhr, fing der verfluchte Motor wieder mit der Ächzerei an. Ich mußte auf sechzig heruntergehen, damit das Geräusch verstummte.
    Ich fuhr ohne weitere Mißgeschicke direkt zur Ashland Avenue und umkreiste das Büro von Alma Mejicana. Kein Licht zu sehen. Dieses Mal parkte ich nahe am Ende der Gasse auf der Forty-fifth Street, für den Fall, daß ich das Auto schnell erreichen mußte.
    Ich band mir Eileens Tuch um den Kopf, holte den Gürtel aus dem Kofferraum und schnallte ihn um die Taille. Weil ich abgenommen hatte, hing er etwas tief; Taschenlampe und Hammer schlugen mir beim Gehen unangenehm gegen die Schenkel. Ich drückte den Klapptritt fest gegen meine Brust. Es war ein unerfreuliches Zeichen meines geschwächten Zustands, daß ein Gewicht, das ich normalerweise kaum gespürt hätte, mich heute abend so langsam machte.
    Trotz der angenehm kühlen Nachtluft waren die Straßen leer. Die meisten Gebäude auf der Ostseite der Gasse waren Büros; die Bewohner der westlichen Gassenseiten schauten vermutlich auf die nächste Straße hinaus.
    Es war kurz nach halb zehn, als ich zu dem Telefonmast in der Nähe von Alma Mejicana kam. Ich schaute im Sternenlicht skeptisch nach oben. Meine Handflächen brannten unter den Verbänden. Ich wickelte das Handtuch von der linken Hand und steckte es hinten in den Hosenbund. Als ich auf dem Tritt stand, reichten meine ausgestreckten Fingerspitzen nicht ganz an die ersten Treteisen heran. Ich stützte mich mit den Füßen auf dem Tritt ab, beugte die Knie und sprang.
    Beim ersten Mal hatte ich so viel Angst davor, mir die linke Handfläche aufzureißen, daß ich das Eisen nicht packte. Der Lärm, den ich machte, als ich den Tritt umstieß, weckte die Hunde in der Gegend. Ich kauerte im Schatten des Zauns, rieb mir die Stelle, an der sich bei meinem Aufprall der Hammer in meinen Schenkel eingegraben hatte, und wartete, daß aufgebrachte Hausbewohner erschienen.
    Als niemand kam, hob ich den Tritt auf und trug ihn zum Mast zurück. Die Hunde waren jetzt gründlich alarmiert; ich hörte verschiedene Rufe, die ihnen Ruhe geboten. Aber der Chor der Kläffer brachte die Besitzer offenbar auf den Gedanken, sie bellten sich gegenseitig an.
    Als ich wieder auf dem Tritt stand, atmete ich ein paarmal in das Zwerchfell ein, den Kopf gegen den Mast gelehnt. Der Mast ist eine Fortsetzung meiner Arme. Er begrüßt mich schwesterlich. Er wird mich nicht als Eindringling bekämpfen.
    Ich wiederholte diese Litanei etliche Male, beugte die Knie und sprang, ohne nachzudenken. Dieses Mal bekam ich die Eisen zu packen und schlang die Schenkel um den Mast, ignorierte den harten Druck des Hammers und das Stechen in den Schulterblättern. Ich bewegte mich schnell, dachte auch jetzt nicht an meine Hände, rutschte am rauhen Holz hinauf, bis ich das zweite Paar Treteisen erreichen und mich an ihnen in den Stand hinaufziehen konnte.
    Als ich das geschafft hatte, war es leicht, die restlichen drei Meter hinaufzusteigen, bis ich auf gleicher Höhe mit dem Dach war. Als ich auf das Dach kletterte, erfüllte mich ein so starkes Hochgefühl, daß Schmerz und Müdigkeit hinter einer Wand in meinem Kopf verschwanden. Ich lief leichtfüßig über das Dach, schätzte die einen Meter breite Lücke ab und übersprang sie mühelos. Die nächste Lücke war breiter und das Nachbardach höher, aber jetzt trug mich eine Welle des Selbstvertrauens. Ich schaltete den Verstand ab und sprang. Der linke Fuß kratzte an der Mauer entlang, aber der

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