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Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Titel: Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Schließlich sagte sie: »Was kann sich deine Tante leisten?«
    »Sie hat im Indiana Arms fünfundsiebzig bezahlt. Im Monat, meine ich.« Die Sonne war jetzt untergegangen, und jenseits des Lichtkegels meiner Schreibtischlampe war das Büro dunkel. Ich ging mit dem Telefon zur Wand hinüber und schaltete das Deckenlicht ein.
    »Wenn ich ihr ein Zimmer besorgen kann, versprichst du mir dann, am Sonntag nicht über die Presidential Towers zu sprechen? Mit niemandem? Es ist ein etwas heikles Thema.«
    Für die Demokraten, meinte sie. Nachdem der Vorsitzende des Repräsentantenhauses schon wegen moralischer Probleme im Scheinwerferlicht stand, wollten sie nicht, daß noch einer seiner Kumpel in Verlegenheit gebracht wurde.
    Ich gab mich widerstrebend. »Kannst du das bis morgen abend erledigen?«
    »Wenn nötig, erledige ich es bis morgen abend, Vic.« Sie gab sich keine Mühe, ihren grimmigen Ton zu unterdrücken.
    Es waren noch genau zwanzig Minuten, in denen ich Visible Treasures erreicht haben mußte, damit mir nicht das Vierfache berechnet würde, aber ich nahm mir noch die Zeit, einen Scheck an »Frauen von Cook County für eine offene Regierung« auszuschreiben. Als ich die Bürotür hinter mir abschloß, begann ich zum ersten Mal an jenem Tag zu pfeifen. Wer behauptet, Erpressung mache keinen Spaß?

4 Tantchen reißt aus
    Es war fast neun, als ich vom Kennedy Expressway abbog und auf die Racine Avenue zufuhr. Ich hatte nichts mehr gegessen seit jenem Würstchen, das ich mir um zwei an einem Imbißstand in der Canal Street gekauft hatte. Ich wünschte mir Ruhe und Frieden, ein heißes Bad, einen Drink und ein angenehmes Abendessen – im Gefrierfach lag ein Kalbskotelett, das ich genau für einen solchen Abend aufgehoben hatte. Aber ich mußte mich ja auf eine Nacht mit Elena gefaßt machen.
    Als ich am gegenüberliegenden Bordstein parkte und zum zweiten Stock hinaufschaute, waren die Fenster dunkel. Während ich die Treppe hinaufschlich, stellte ich mir vor, wie meine Tante völlig hinüber am Küchentisch hing. Oder hingestreckt auf der ungemachten Bettcouch. Vielleicht verführte sie im Erdgeschoß gerade Mr. Contreras.
    Ich hatte Elena weder Schlüssel noch Instruktionen für die beiden Sperriegel gegeben. Ich mußte nur das oberste Schloß aufschließen – dasjenige, das automatisch einrastet, wenn man die Tür zuschlägt – und konnte das Licht im kleinen Flur einschalten. Es warf einen Lichtstreifen ins Wohnzimmer. Ich sah, daß die Couch wieder zugeklappt war.
    Ich ging durch das Eßzimmer in die Küche und machte dort Licht. Die Küche blitzte. Das Geschirr von drei Tagen, das sich in der Spüle angesammelt hatte, war abgewaschen und weggestellt. Die Zeitungen waren verschwunden. Der Boden war gewischt. Die Tischplatte war sauber und abgeräumt. Mitten darauf lag ein Zettel von meinem gelben Abreißblock, beschrieben mit Elenas riesiger unsicherer Handschrift. Sie hatte »Vicki« geschrieben, das Wort durchgestrichen und durch »Victoria, Baby« ersetzt.
    Danke, daß Du mir gestern nacht ein Bett abgetreten hast, als ich eins brauchte. Ich wußte, daß ich in einem Notfall auf Dich zählen kann, Du warst immer ein liebes Mädchen, aber ich will nicht herumhängen und Dir zur Last fallen, was ich bestimmt täte, deshalb alles Gute, Kleine, und wir sehen uns wieder, wenn aller Harm verrauscht ist, wie es heißt.
    Sie hatte acht große X gemalt und mit ihrem Namen unterschrieben.
    Seit drei Uhr morgens hatte ich meine Tante dafür verflucht, daß sie zu mir gekommen war, und mir nichts anderes gewünscht, als beim Nachhausekommen festzustellen, daß ich den Auftritt in der Nacht nur geträumt hatte. Der Wunsch war in Erfüllung gegangen. Aber anstatt in Hochstimmung zu geraten, wurde mir ziemlich flau im Magen. Trotz ihrer so offenherzigen Art hatte Elena keine Freunde. Natürlich wimmelte es auf den Straßen und Gassen von Chicago von ihren ehemaligen Liebhabern, aber ich glaubte nicht, daß sich auch nur einer von ihnen an Elena erinnerte, wenn sie bei ihm vor der Tür stand. Wenn ich es mir recht überlegte, war ich auch nicht sicher, ob Elena sich an einen von ihnen so deutlich erinnerte, daß ihr auch einfiel, an welche Tür sie zu klopfen hätte.
    Den zweiten unerfreulichen Gedanken, der mir im Kopf herumspukte, löste Elenas Schlußsatz aus. In einer Bühnenfassung von
Tom Sawyer
hatten wir in der High School gesungen: »Wo aller Harm verrauscht«. Das Lied galt als typisches Beispiel für

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