Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Ecke stand eine weiße Kunststoffkommode. Ein Holztisch unter dem Fenster vervollständigte die Einrichtung.
»Bad ist über den Gang. Sie kann ihre Sachen in einem Kasten unter dem Bett einschließen, wenn sie Angst vor Junkies hat. Schlüssel ist bei mir, wenn sie weggeht. Und Kochen hier drin ist streng verboten. Die Leitungen sind alt. Wollen nicht, daß die Bude in Rauch aufgeht.«
Ich stimmte ruhig zu und folgte ihr die Treppe hinunter. Sie kehrte zum
Glücksrad
zurück, ohne mir auch nur noch einen Blick zu schenken. Als ich draußen war, tankte ich in großen Atemzügen Luft.
Ich scheine nie so viel Geld zu verdienen, daß ich mehr als etwa einen Tausender pro Jahr in die private Rentenversicherung einzahlen kann. Wovon wollte ich leben, wenn ich zu alt wurde, um Klienten anzuwerben? Ich stellte mir vor, ich sei sechsundsechzig, lebte allein in einem kleinen Zimmer mit drei Kunststoffschubladen für meine Kleider – ein Schauer durchlief mich und hätte mich fast aus dem Gleichgewicht gebracht. Eine Frau zerrte drei Kinder hinter sich her an mir vorbei: Ich war bloß eine torkelnde Betrunkene, die ihren Kindern auf dem Heimweg etwas zu glotzen gab. Mit schweren Gliedern stieg ich in den Chevy und fuhr nach Süden.
Die Mischung aus schlechtem Gewissen und Angst, die das Windsor Arms in mir aufgewühlt hatte, verdarb mir die Freude am Wochenende. Samstag früh besorgte ich im Lebensmittelgeschäft Obst und Joghurt für die kommende Woche. Aber als ich die Zutaten zu einem Nudelsalat zusammenstellte, den ich zu einem improvisierten Picknick am Nachmittag beisteuern wollte, nahm ich eine billigere Sorte Olivenöl als sonst – wie konnte ich elf Dollar für einen halben Liter Olivenöl ausgeben, solange ich nicht in der Lage war, genug für meine private Rentenversicherung zusammenzukratzen? Ich kaufte sogar amerikanischen Parmesan. Gabriella hätte fürchterlich mit mir geschimpft – aber sie wäre schon damit nicht einverstanden gewesen, daß ich die Nudeln fertig im Laden kaufte.
Ich besorgte mir alle drei Morgenzeitungen und las sie gründlich, ehe ich in den Park ging. Bis jetzt hatte niemand eine nicht identifizierte alte Frau im Fluß gefunden oder in hilflosem Zustand auf der Straße aufgegriffen. Ich mußte mich darauf verlassen, daß Furey oder Bobby Mallory mich anriefen, falls Elena festgenommen wurde. Es sah so aus, als gäbe es für mich nichts anderes zu tun, als mich meinen Sportfreundinnen am Montrose Harbor anzuschließen und meine Aggressionen an einem Softball auszulassen.
Ich konnte meinen Trübsinn nicht ganz abschütteln, aber ein Fang, der mir im sechsten Durchgang gelang, führte zum Spielgewinn und heiterte mich auf – ich hatte nicht gewußt, daß ich noch wie eine Zwanzigjährige nach dem Ball hechten und ihn auch fangen konnte. Danach, trotz Soave und Grillhuhn, kam ich nicht recht in die ausgelassene Stimmung meiner Freundinnen. Ich ging, während die Party noch im Gange war, damit ich die Zehn-Uhr-Nachrichten nicht versäumte.
Elena war auch auf dramatische Weise noch nicht wieder aufgetaucht. Ich stellte mir schließlich vor, wie sie irgendwo mit einer Flasche billigem Fusel herumhing, und ging zu Bett, hin und hergerissen zwischen meinem Abscheu vor ihr und meiner Unzufriedenheit mit mir selber.
Ich hatte eigentlich gehofft, die Götter würden Boots’ Party mit heftigen Gewittern strafen, aber auch am Sonntagmorgen versprach die Dämmerung wieder den gnadenlos strahlenden Sonnenschein, unter dem wir den ganzen Sommer gelitten hatten. Nun näherte der September sich seinem Ende, und die Tage waren nur noch warm, nicht mehr drückend heiß, doch litt der Mittelwesten unter der schlimmsten Trockenheit seit fünfzig Jahren.
In der ganzen Stadt waren Trottoirs und Straßenbeläge aufgebrochen und eingesunken. Auf dem Höhepunkt der Hitzewelle hatten Funken aus den Zügen die Stützbalken der Hochbahntrasse in Brand gesetzt, so daß mehrere Stationen jetzt geschlossen waren. Beim chronischen Haushaltsdefizit Chicagos rechnete ich nicht damit, daß sie noch zu meinen Lebzeiten wiedereröffnet würden.
Ich lief mit Peppy zum Belmont Harbor und zurück, dann arbeitete ich die Sonntagszeitungen durch. Mit der
Sun-Times
fiel mir das am schwersten – ich habe noch nie verstanden, nach welchem Prinzip sie aufgebaut ist, und ich mußte mehr, als mir lieb war, über Inneneinrichtung und Herbstfestspiele in Wisconsin lesen, ehe ich auf die Nachrichten aus der Hauptstadt
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