Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
meine angeborene schlechte Laune. Oder bloß die Tatsache, daß ich auf einer Wahlspendenparty in Cook County war.
Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich Boots zum letzten Mal in den Nachrichten gesehen, als einer seiner Leibwächter einem Mann, der dem Chef nach einer County-Board-Sitzung zu nahe gekommen war, ins Gesicht geschlagen hatte. Der Mann behauptete, Boots habe seine Tochter ermordet – eine schwerwiegende Beschuldigung. Der Mann war in der psychiatrischen Klinik in Elgin bestens bekannt, aber jemandem das Nasenbein zu brechen, weil er geistig verwirrt war, kam mir etwas übertrieben vor. Zu Boots’ Gunsten muß gesagt werden, daß er später die Krankenhausrechnung des Mannes bezahlte. Aber wozu brauchte er überhaupt Leibwächter?
Das war nur die letzte Affaire, in die Boots verwickelt war. Er hatte die Finger in einigen Dutzend Geschäften mit dem Staat, in Geschäften, bei denen alle reich werden, die wissen, wie man Steuervorteile nutzt. Meagher war ein Typ vom Schlag »eine Hand wäscht die andere«– er hätte niemals den Gastgeber für Rosalyns Spendenparty gespielt, wenn sie ihm nicht etliche wichtige Zugeständnisse gemacht hätte.
Roz war nicht gerade eine enge Freundin von mir. Sie war während meiner Zeit als Pflichtverteidigerin Sozialarbeiterin am Logan Square gewesen. Wir hatten gemeinsam Seminare über Recht und Gemeinwesen abgehalten – eine Art ABC für die Bewohner, damit sie ihre Rechte kennenlernten, von der Unterkunft bis zum Umgang mit der Einwanderungsbehörde. Roz war intelligent und dynamisch, eine fähige Politikerin. Außerdem ehrgeizig. Und das hieß, daß sie mit Boots ins Bett gehen mußte, wenn ihr an einer größeren Einflußsphäre als dem Logan Square gelegen war. Ich verstand das, und ich wußte, daß es mich ohnehin nichts anging. Warum also zerbrach ich mir den Kopf darüber?
Ich schlängelte mich durch die Menge am Orchesterpodium zu einem bunten Baldachin, unter dem Erfrischungen gereicht wurden. Junge Frauen in schenkelkurzen Minis bahnten sich gut gelaunt mit Tabletts voller Canapés den Weg durch das Gewühl. Genau die richtige Aufmachung für eine feministische Aktivistin wie Rosalyn. Ich ging zur Bar und ließ mir einen Rum mit Tonic geben.
Mit dem Drink in der Hand ließ ich mich durch die Menge treiben. Direkt hinter dem Erfrischungszelt ballten sich die Gäste zu einem dichten, lärmenden Haufen, sie waren so laut, daß sie die Kapelle übertönten. Wenn man diese Gruppe hinter sich ließ, verlor sich das Gewühl rasch – das unbebaute Gelände wurde wellig und ging in ein Wäldchen über.
Der Boden war uneben und es gab kaum Stühle, aber die meisten Frauen trugen Nylons und hohe Absätze. Nur zwei waren besser ausgerüstet hergekommen – sie saßen auf einer Decke, streckten die langen, gebräunten Beine aus und genossen in aller Unschuld die eigene Schönheit. Als ich an ihnen vorüberging, riefen sie ganz überschwenglich: »Vic! Ernie hat uns gesagt, daß du vielleicht kommst. Setz dich zu uns. LeAnn ist schwanger, und da wollten wir nicht den ganzen Nachmittag in der Hitze stehen.«
Ich setzte mich pflichtschuldig einen Augenblick lang zu ihnen. Wenn LeAnn schwanger war, konnte es nur eine Frage von Monaten sein, bis auch Clara ein neues Baby in Angriff nahm. Die beiden waren seit der Kindheit unzertrennlich und jetzt, beide erwachsen und verheiratet, wohnten sie in benachbarten Villen in Oak Brook, besuchten sich ständig gegenseitig, tauschten Kleider, tranken gemeinsam Kaffee oder kümmerten sich gemeinsam um ihre Kinder. Und obwohl Claras helle Locken einen Kontrast zu LeAnns glattem dunklen Haar bildeten, in ihren Shortanzügen von Anne Klein sahen sie aus wie Zwillingsschwestern.
»Amüsierst du dich?« fragte Clara.
»Hervorragend. Wann kommt das Baby?«
»Erst Ende März. Im Augenblick erzählen wir das nur Freunden.«
Ich lächelte. Dazu gehörte etwa die Hälfte der Leute auf dem Picknick – alle, deren Namen sie kannte.
Ich hatte die beiden durch Michael Furey kennengelernt. LeAnn war mit Ernie Wunsch verheiratet, Clara mit Ron Grasso. Daß Michael immer noch so eng mit seinen Jugendfreunden zusammen war, verblüffte mich immer wieder. Seit ich Südchicago verlassen hatte, um das College zu besuchen, hatte ich nur noch wenig Kontakt zu den Leuten, mit denen ich aufgewachsen war. Doch Michael hatte außer Ernie und Ron noch acht Jugendfreunde, die sich einmal im Monat zum Pokern trafen, jeden Oktober zur Hirschjagd an
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