Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
so etwas. Das restliche Papier klaubte ich zusammen und warf es in den Abfallkorb.
Weil mir mein Ausbruch von vorhin peinlich war, legte ich die Schriftstücke, die auf meinem Schreibtisch geblieben waren, in aller Ruhe ab und ging dann zur Damentoilette im siebten Stock, um Wasser zu holen für das Abschrubben des Schreibtisches. Das sah so gut aus, daß ich mir anschließend auch noch Fenstersims und Aktenschränke vornahm. Sauber in Gedanken, Worten und Taten, schloß ich das Büro ab.
Auf dem Weg zum Parkhaus machte ich an einem Geldautomaten Station, um die neunzig Dollar zu beschaffen, dann reihte ich mich ein in die Prozession heraus aus dem Loop. Alle Welt verläßt freitags zeitig das Büro, um, ehe das Wochenende anfängt, möglichst viel Zeit im Verkehrsstau zu verbringen.
Es war kurz vor fünf, als ich das Windsor Arms in der Kenmore Avenue erreichte. Das Gebäude ist errichtet worden, als der Herzog sich auf dem Höhepunkt seiner Popularität befand, sich der Gastfreundschaft Görings erfreute und Namenspatron von Hotelpensionen wurde, die sich von seiner königlichen Aura etwas versprachen. Der Herzog von Windsor ist mittlerweile tot, dem Hotel war soviel Glück nicht beschieden. Sollte die Fassade seit der Thronbesteigung von George VI. je gereinigt worden sein, sah man es ihr nicht an. Auch auf die allernötigsten Reparaturen ist nicht allzuviel Aufmerksamkeit verwendet worden – in etlichen Fenstern ersetzten Pappstücke die Scheiben.
Im Inneren des Gebäudes roch es schwach nach gekochtem Kohl, trotz des großen Schilds über dem Tresen, auf dem nachdrücklich festgestellt wurde: »Kochen in den Zimmern
streng
verboten«. Neben dem Schild schenkte Stadträtin Helen Schiller ihren Wählern ein leutseliges Lächeln.
Niemand war hinter dem Tresen, aber eine Handvoll Bewohner saß in einer kleinen Halle und schaute sich in einem hoch oben an der Wand aufgehängten Fernseher Vanna White an. Ich ging zu ihnen hinüber und fragte, ob mir jemand sagen könne, wo der Geschäftsführer sei. Eine Frau in mittleren Jahren, angetan mit einer ärmellosen Kittelschürze, schaute mich mißtrauisch an – Frauen in Kostüm und Nylons, die Hotelpensionen besuchen, sind in der Regel städtische Inpektorinnen oder Anwälte, die im Namen der Familie eines toten Gastes mit einer Klage drohen.
Ich schenkte ihr mein gewinnendstes Lächeln. »Ich habe gehört, hier ist ein Zimmer frei. Für Elena Warshawski.«
»Was soll sein damit?« Die Frau sprach im schleppenden Singsang der irischen South Side.
»Ich bin ihre Nichte. Sie zieht in ein paar Tagen ein, aber ich möchte für einen Monat im voraus bezahlen, damit das Zimmer für sie freigehalten wird.«
Die Frau musterte mich von oben bis unten, die wäßrigen grauen Augen zusammengekniffen und unnachgiebig. Schließlich gelangte sie zu der Überzeugung, daß meine zur Schau getragene Wohlanständigkeit echt sei. Sie wandte sich wieder dem Fernseher zu, wartete einen Werbeblock ab und hievte sich dann schwerfällig aus dem vinylbezogenen Sessel. Ich folgte ihr in ein Kabuff hinter dem Tresen, dessen auffälligster Einrichtungsgegenstand eine große Kassette war.
Die Dame des Hauses zählte meine Zehner zweimal, schrieb mit ungelenker Handschrift eine Quittung aus, steckte das Geld in einen Umschlag, klebte ihn zu und schob ihn durch einen Schlitz an der Seite der Kassette.
»Ich weiß nicht, wie man das Ding aufkriegt, glauben Sie also ja nicht, Ihr Kerl könnte herkommen und eine Knarre auf mich richten, damit Sie Ihr Geld wiederkriegen. Die kommen zweimal pro Woche und räumen aus.«
»Nein, Madam«, pflichtete ich ihr hilflos bei.
»Jetzt zeige ich Ihnen das Zimmer. Ihre Tante kann jederzeit einziehen. Sorgen Sie dafür, daß sie die Quittung mitbringt.« Wir stiegen drei Treppen hinauf, langsam, mit Rücksicht auf den kurzen keuchenden Atem meiner Führerin, und gingen einen Flur ohne Teppich entlang. Leere Lampenschirme aus Glas über den Türen erinnerten an die besseren Tage des Windsor Arms – den Flur beleuchteten jetzt nackte Glühbirnen. Die Portiersfrau blieb vor der zweitletzten Tür auf der linken Seite stehen und schloß auf.
Wem immer das Gebäude gehören mochte, er schuldete Marissa Duncan einen Gefallen. Oder er hoffte, Marissa werde ihm einen freundlichen Schubs nach oben auf der örtlichen politischen Karriereleiter geben. Dem Fenster fehlte keine der vier Scheiben, der Boden war sauber und das schmale Bett ordentlich gemacht. In der
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