Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Federkleid hatte. Auf den ersten Blick wirkt das Tierreich gesünder als die Menschenwelt. Aber als im letzten Sommer eines Tages eine Möwe sich zu ihnen auf den Sims setzte, haben die Tauben ein Geschrei veranstaltet und nach ihr gehackt, bis die Möwe mit blutendem Hals davonflog.
Ich ging an meinen Schreibtisch zurück und schaute die Werbung durch, die in den letzten Tagen gekommen war. Seminare darüber, wie ich mein Büro besser organisierte, Seminare über verbesserte Observierungstechniken, Sonderangebote für Waffen und Munition. Ich warf alles in den Papierkorb. Nun ging ich meinen Ordner mit potentiellen Kunden durch, weil ich mich immer noch darüber ärgerte, daß ich in den letzten Wochen mein Geschäft vernachlässigt hatte, und tippte Angebote.
Ich hatte drei geschrieben, als das Telefon klingelte. Es war nicht Finchley, sondern jemand vom Leichenschauhaus – er hatte die Frau gebeten, direkt bei mir anzurufen. Cerises Leiche war Otis Armbruster übergeben worden, der in der Christiana Avenue wohnte.
Ich bedankte mich bei der Frau und schlug meinen Stadtplan auf. Die Südseite der Christiana Avenue ist nicht der angenehmste Teil der Stadt, kein Ort, an dem sich eine Frau abends allein blicken lassen sollte, schon gar nicht eine Weiße. Ich überlegte, ob ich bis morgen früh warten sollte, dann kehrte mein Unbehagen über das Gespräch mit Finchley zurück. Wenn Cerise und Zerlina auf diesen Straßen zurechtkamen, konnte ich das auch.
Als ich eben das Licht ausmachte, rief Furey an. Erst war ich auf der Hut, dachte, Finchley habe vielleicht über unser Gespräch mit ihm geredet, aber er rief wegen Elena an.
»Du hast nichts von ihr gehört, oder?« fragte er. »Wir haben nämlich letzte Nacht wieder eine Beschwerde über Freierfang bekommen – aus einer Bar in einer guten Gegend, die versucht, Yuppies anzulocken. Es klang, als ob sie das gewesen sein könnte.«
Ich rieb mir den Nacken, versuchte, meine Verspannung etwas zu lockern. »Ich habe nichts von ihr gehört, aber ich fahre jetzt zu einer Frau, die sie im Indiana Arms ganz gut gekannt hat. Ich will rauskriegen, ob Elena sich bei ihr gemeldet hat.«
»Soll ich mitkommen?« Er versuchte ohne Erfolg, seinen Eifer zu verbergen.
»Nein danke. Sie wird sowieso nicht gerade erpicht darauf sein, mit mir zu reden. Wenn sie einen Polizisten sieht, sagt sie gar nichts mehr.«
»Ruf mich später an, okay? Sag mir Bescheid, wenn du was rausgekriegt hast.«
»Klar.« Ich stand wieder auf. »Ich muß weg.«
Ich legte auf, ehe er noch etwas fragen konnte, zum Beispiel nach Zerlinas Namen und Adresse, und ging schnell, um weiteren Anrufen auszuweichen. Ich nahm die Treppe hinunter zwei Stufen auf einmal – wenn man etwas Unerfreuliches vor sich hat, sollte man es so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Unter dem Scheibenwischer des Chevy steckte ein Strafzettel. Verbrechen in Chicago lohnt sich nicht, zumindest nicht für Parksünder im Loop.
Ich fuhr die Van Buren Street entlang, warf einen Blick auf die langsame Autoschlange in der Congress Street und beschloß, über Nebenstraßen zu fahren. Von der Wabash Avenue bis zur Twentysecond Street kam ich gut voran. Als ich erst einmal die Abzweigungen zum Expressway hinter mir gelassen hatte, floß auch der Verkehr nach Westen zügig. Es war erst kurz nach sechs, als ich in die Christiana Avenue einbog.
An diesem Punkt war ich etwa elf Kilometer in südwestlicher Richtung vom Rapelec-Komplex entfernt. Wenn Cerise hier gewohnt hatte, warum war sie dann so weit weggegangen, um einen ruhigen Ort zum Fixen zu finden? Ich wurde nicht schlau daraus.
Leere Grundstücke und Dreifamilienhäuser aus grauem Stein säumten abwechselnd die Straße. Die kaputten oder mit Brettern vernagelten Fenster zeigten, daß die Gebäude kurz vor dem Einfallen waren. Tagsüber sah es hier aus wie in Beirut. Jetzt lag purpurnes Zwielicht über den Grundstücken und verwandelte die Umrisse von Schutthaufen und Schrottautos zu weichen Schatten.
Die einzigen Läden schienen die großzügig über alle Ecken verteilten Kneipen zu sein. Nur wenig Autos waren unterwegs. Jemand hängte sich zwischen der Cermak Road und der Seventeenth Street hinter mich und machte mich ziemlich nervös, aber als ich schließlich langsamer wurde und rechts an die Seite fuhr, zog er mit lautem Hupen an mir vorbei. Es war eine Geisterstadt, die unbewohnt wirkte, bis auf gelegentliche Trauben aus jungen Männern, die sich vor den Kneipen
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