Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Treppe hinab. Hinter Mr. Contreras’ Tür hörte ich Peppy jaulen. Sie erkannte meinen Schritt und wollte mitkommen. Es war nicht anständig, sie den ganzen Tag bei Mr. Contreras zu lassen, aber ich hatte jetzt wirklich keinen Sinn für sie.
Unter dem Druck der ganzen Anforderungen an mich hätte ich am liebsten geschrien. Der Hund. Furey. Elena. Graham. Meine anderen Klienten. Und jetzt auch noch mein Draufgängertum Luis Schmidt gegenüber. Ach, sollte ihn der Teufel holen wegen dieser Anruferei mit blöden Drohungen.
Wenn ich nur ein paar Kröten hätte zusammensparen können, dann würde ich Ferien machen, dieser Stadt ein halbes Jahr lang den Rücken kehren. Ich knirschte mit den Zähnen, weil das ein sinnloser Gedanke war, und setzte den Chevy mit krachendem Getriebe in Bewegung.
Um drei hatte ich meine erschöpfenden Studien über Leben und Lieben von Grahams Kandidaten für die Stelle des stellvertretenden Marketingleiters abgeschlossen. In meinem Bericht erwähnte ich auch die Tatsache, daß der Kerl außer seiner Frau und einem kleinen Sohn eine feste Freundin hatte. Nicht daß Graham das stören würde. Mich hätte das fünfzehn Kilometer in die entgegengesetzte Richtung getrieben, aber Graham war der Meinung, daß das, was sich unter der Gürtellinie abspielte, mit der beruflichen Leistung nichts zu tun habe.
Erst als ich den Bericht getippt und per Kurier auf die andere Seite des Loop geschickt hatte, nahm ich mir Zeit für die Essenspause. Bis dahin hatte mir der Hunger quälende Kopfschmerzen bereitet, aber insgesamt fühlte ich mich besser, weil ich einen wichtigen Auftrag aus meinem Terminplan ausstreichen konnte.
Ich ging in ein vegetarisches Café um die Ecke und aß eine Suppe und eine Schale Joghurt. Damit war gut für den Hunger gesorgt, aber die Kopfschmerzen nahmen zu. Ich versuchte, sie zu ignorieren, zwang mich, an Luis Schmidt und seine Wut über meinen Besuch auf der Ryan-Baustelle zu denken. Mein Kopf tat für Logik zu weh. Als ich den Chevy aus der Tiefgarage holte, wollte ich nur nach Hause fahren und mich ins Bett legen. Aber es quälte mich immer noch, daß ich in den letzten Tagen soviel Zeit vergeudet hatte. Ich schleppte mich nach Norden zu Saul Seligmans Haus.
Er war nicht begeistert, als er mich sah. Er wollte mir auch keine Bilder seiner Kinder geben. Ich brauchte die letzten Reserven meiner Energie, um dem stechenden Schmerz, der hinter meinen Augen pochte, zum Trotz, sanft und überzeugend zu bleiben.
»An Ihrer Stelle wäre ich auch wütend. Sie haben das Recht, für Ihre Prämien Leistung zu erwarten. Leider gibt es einfach zu viele unehrliche Leute, und das führt dazu, daß die redlichen darunter leiden müssen.«
In diesem Ton ging es eine Dreiviertelstunde lang hin und her. Schließlich machte Seligman eine ärgerliche Geste, ging hinüber zu seinem massigen Sekretär und schob den Rolldekkel hoch. Ein Stapel Papiere ergoß sich auf den Boden. Er ignorierte sie und wühlte hinter den restlichen Papieren in einer Schublade, bis er ein Foto fand.
»Ich nehme an, Sie bleiben hier, bis es dunkel ist, wenn ich Ihnen das nicht gebe. Ich will eine Quittung. Und dann gehen Sie, lassen Sie mich in Ruhe. Kommen Sie erst wieder, wenn Sie mir sagen können, daß Sie meinen Namen von jedem Verdacht gereinigt haben.«
Es war ein Gruppenbild, aufgenommen auf irgendeinem Familienfest. Seine Töchter standen in der Mitte, rechts und links von seiner Frau, während Rita Donnelly und zwei andere junge Frauen sie flankierten. Das waren vermutlich ihre Töchter, aber zu diesem Zeitpunkt war mir das ziemlich egal – ich hatte inzwischen Schwierigkeiten, klar zu sehen.
Ich zog einen kleinen Notizblock aus meiner Tasche und schrieb für Seligman das Datum und eine Beschreibung des Bildes auf. Die Buchstaben tanzten beim Schreiben über das Papier; ich war mir nicht sicher, ob die Notiz einen Sinn ergab. Seligman steckte sie in den Sekretär, schob den Rolldeckel zu und drängte mich hinaus.
Ich fuhr mit mehr Glück als Geschick nach Hause. Als ich dort ankam, zitterte ich und schwitzte. Ich gelangte irgendwie die Treppe hinauf und ins Bad, ehe mir schlecht wurde. Danach fühlte ich mich etwas besser, aber ich schlich ins Bett, zog ein dickes Sweatshirt und Socken an und kroch unter die Decke. Als mir warm wurde, entspannten sich die verkrampften Muskeln im Nacken, und ich fiel in einen tiefen, betäubten Schlaf.
Das klingelnde Telefon brachte mich langsam wieder ins Leben
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