Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
angerufen, außerdem Darrough Graham, der wissen wollte, wo zum Teufel sein Bericht blieb. Ich rief Graham zuerst an, weil er ein pünktlich zahlender Kunde war, sagte ihm, ich sei ein paar Tage verreist gewesen und wolle den Auftrag morgen erledigen. Er war nicht begeistert, aber wir arbeiteten schon lange zusammen – er würde wegen dieser Sache nicht mit mir brechen. Trotzdem durfte ich meine guten Kunden nicht länger ignorieren.
Während ich darauf wartete, daß die Telefonistin Robin fand – er hatte darum gebeten, herausgerufen zu werden, wenn ich mich meldete –, stellte ich auf meinem Notizblock eine Terminliste für alle meine augenblicklichen Aufträge zusammen. Den Hörer immer noch am Ohr pinnte ich das Blatt meinem Schreibtisch gegenüber an die Wand.
»Das ist deine Arbeit«, belehrte ich mich streng. »Tu nichts anderes, bis das alles erledigt ist.«
»Vic?« Robins Stimme unterbrach die Lektion. »Bist du da?«
»Oh, Tag, Robin. Ich hab nur laut gedacht. Wenn man allein arbeitet, kennt man den Unterschied zwischen Reden und Denken nicht.«
»Oh. Ich frage mich, ob die Isolation kein zu hoher Preis dafür ist, allein zu arbeiten.« Wir plauderten eine Weile, erst über einsames Arbeiten und dann über Gesellschaft beim Abendessen. Damit war ich einverstanden, also ging er zum Geschäftlichen über.
»Dein Bericht ist heute gekommen – deine beiden Berichte. Ich bin sie mit meinem Chef durchgegangen – wir haben beschlossen, daß du weitere Nachforschungen anstellen sollst. Ich zweifle nicht an deiner Einschätzung des Charakters von Seligman, aber jemand hat den Nachtportier aus dem Weg geschafft. Es war eindeutig jemand, der seine Gewohnheiten kannte, deshalb muß es entweder ein Gast oder jemand aus Seligmans Geschäft sein.«
»Oder ein Außenstehender, der ihn beobachtet hat«, warf ich ein.
»Ja, schon möglich. Das Problem ist, der einzige Mensch, der von dem Brand profitiert, ist der alte Mann – oder seine Kinder, wenn er stirbt. Ehe wir die Versicherungssumme auszahlen, möchte ich ganz sicher sein, daß nicht Seligman das Geld für die Rennbahn geschickt hat. Kannst du noch eine Woche für uns weitermachen?«
Ich schaute meine Termine an. Wenn ich Grahams Auftrag morgen früh erledigte, konnte ich den Rest meiner Arbeit in die Ermittlungen für die Ajax einschieben und bis Freitag abend alles erledigt haben – solange ich keine Zeit mehr damit vergeudete, mir den Kopf über Roz zu zerbrechen, darüber, warum mein Anruf bei Velma sie dazu veranlaßt hatte, Ralph MacDonald auf mich zu hetzen, und über alles andere danach.
»Bist du noch da, Vic?«
»Ja. Gut, ich nehme an, ich kann noch eine Woche für euch dranhängen. Zahlt ihr die bisherige Rechnung, oder soll ich eine neue ausstellen, mit der Gesamtstundenzahl?«
»Deine Rechnung ist schon in der Buchhaltung – in etwa zehn Tagen hast du den Scheck … Du sagst, Seligman verliert kein Geld, aber er verdient auch nicht viel.«
Ich malte mit dem Filzstift einen Kreis auf den Block. »Ich glaube nicht, daß ihm das besonders wichtig ist. Ich kann versuchen, seine alten Bücher zu finden, nachschauen, wie der Gewinn im Vergleich zu vor fünfzehn, zwanzig Jahren aussieht, aber er kommt mir einfach nicht wie der Typ vor, der seinen verlorenen Milliarden hinterherheult.«
»Such jedenfalls weiter, sieh zu, was du rauskriegen kannst. Ich weiß, daß deine Sympathie für den alten Knaben deinen Blick nicht trübt … Bis halb acht, abgemacht?«
»Abgemacht.« Es war als Kompliment verpackt, aber eigentlich war es eine Warnung. Impulsivität ist der schlimmste Feind des Detektivs.
Ich fügte dem Kreis Augen und Nase hinzu und malte ihm einen Schnurrbart. Trotz Robins Warnung konnte ich nicht an die Schuld des alten Mannes glauben, es sei denn, er litt unter Geistesverwirrungen, von denen ich bei meinen beiden Gesprächen mit ihm nichts gemerkt hatte. Robin hatte jedoch recht, Seligman hatte das eindeutigste finanzielle Motiv. Zwar würden seine Kinder alles erben, und sie waren vielleicht gerissen genug, das Gebäude jetzt in Brand zu stecken, damit sie nach seinem Tod nicht in Verdacht gerieten.
Ich malte dem Gesicht einen schlappen Anzug und eine nach Geld ausgestreckte Hand. Vielleicht hatte jemand im Indiana Arms etwas gesehen und war zu vorsichtig, es zu sagen – wer eine Randexistenz führt, lernt, nicht aufzufallen. Wenn ich die ehemaligen Pensionsbewohner ausfindig machte, konnte ich sie vielleicht dazu überreden,
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