Brandung des Herzens
ihre Familie durch den Krieg ihrer Farmen und ihres Vermögens beraubt wurde. Damals hatte das Kleid genügend Platz für jede Kurve von Willows knospendem Körper gelassen. Jetzt, vier Jahre später, waren Willows Kurven üppiger geworden. Der Schnitt des Kleides war derselbe geblieben. Folglich spannte sich die blaugraue Seide über ihren vollen, hoch angesetzten Brüsten und schmiegte sich hauteng um ihre Taille.
Und dennoch war es Willows einziges Seidenkleid. Sie hatte es angezogen, weil sie erwartete, einem Gentleman zu begegnen, der ihre Geste an eine etwas kultiviertere Zeit zu schätzen wüßte. Sie hatte nicht mit einem unrasierten Revolverhelden gerechnet, der nur den schlechten Sitz ihres Kleides bemerken würde. Willow schob trotzig das Kinn vor, als sie den Mann ansah, der sie so offensichtlich nicht mochte.
»Der Krieg ist vorbei, Mr. Black.«
»Und Sie haben verloren.«
Sie schloß einen Moment die Augen, öffnete sie dann wieder. »Ja.«
Das heisere Eingeständnis verblüffte Caleb, ebenso wie der plötzliche Schatten, der Willows haselnußbraune Augen verdunkelte. Seine Überraschung über die Entdeckung, daß sein Opfer, Matthew »Reno« Moran, eine Ehefrau hatte, wich dem Verdacht, daß die junge Frau mit dem knappen Kleid und dem sinnlichen Mund nicht ganz das war, was sie zu sein vorgab. Renos Geliebte, höchstwahrscheinlich. Aber seine Ehefrau? Bestimmt nicht. Nichts, was Caleb über Reno erfahren hatte, seit er Jagd auf ihn machte, wies darauf hin, daß Reno zu der heiratswilligen Sorte Männer gehörte.
Caleb musterte Willow noch einmal von Kopf bis Fuß und ließ sich Zeit dabei, während er beobachtete, wie ihr erneut verlegene Röte in die Wangen kroch. Ihr Erröten reizte seine Neugier. Mädchen wie Willow konnten sich weder Gefühle noch Stolz leisten, und dennoch war deutlich erkennbar, daß sie beides besaß.
Nicht zum ersten Mal fragte Caleb sich, wie ihr sogenannter Ehemann wohl war - was für ein feiner Südstaatengentleman das sein mochte, der eine Unschuld wie Calebs Schwester Rebecca verführen und in einem so unerfahrenen jungen Ding wie Willow so viel Leidenschaft erwecken konnte, daß sie bereit war, ihrem vermißten Liebhaber bis in den tiefsten, ungezähmten Westen nachzulaufen.
Mit einem Achselzucken, bei dem sich feste Muskeln unter seiner dunklen, staubbedeckten Kleidung abzeichneten, tat Caleb seine Neugier ab. Es spielte keine Rolle, daß Willow vermutlich eine Miss statt einer Mrs. war. Es interessierte ihn im Grunde auch nicht, was für ein Mensch der schwer faßbare Matthew »Reno« Moran war. Caleb jagte jetzt seit elf Monaten dem Verführer seiner Schwester Rebecca nach.
Wenn er Reno gefunden hatte, würde er ihn töten.
»Wollen wir gehen?« fragte Caleb. »Oder haben Sie es sich inzwischen anders überlegt, was die Suche nach Ihrem... äh, Ehemann... betrifft?«
Kühle goldene Augen musterten Willows linke Hand. Eine schlanke, langgliedrige Hand, die keinen Ring trug. Wieder errötete Willow schuldbewußt. Sie haßte es zu lügen, aber aus den Briefen ihres Bruders war klar hervorgegangen, daß er in einer wilden, unzivilisierten Gegend lebte. Es war riskant für eine junge Frau, allein in ein solches Gebiet zu reisen. Eine verheiratete Frau hatte dagegen den Schutz eines Ehemannes. Selbst ein abwesender Ehemann reichte aus, um andere Männer zögern zu lassen.
»Richtig«, sagte Willow und räusperte sich. Sie begegnete Calebs Blick mit einer Mischung aus Verlegenheit und Trotz. »Mein Mann. Haben Sie zufällig von ihm gehört?«
»Viele Männer ändern ihren Namen, wenn sie auf Gebiet westlich des Mississippi kommen. Sogar ehrbare Männer.«
Ihre Augen wurden groß. »Wie seltsam.«
»Die meisten Menschen halten Ehrbarkeit nicht für seltsam.«
Die kühle Verachtung in seinen Worten versetzte Willow einen Stich. »Das habe ich nicht damit gemeint.«
Caleb ließ seinen Blick von Willows schimmerndem blondem Haar bis hinunter zu ihren zierlichen Lacklederschuhen wandern, die unter dem langen Seidenrock hervorschauten. »Ich bin schon mal einem Mann namens Matthew Moran begegnet. Hat er einen Spitznamen?«
»Nicht daß ich wüßte. Und wenn er einen hat, so hat er jedenfalls nie etwas davon erwähnt.«
Calebs Augen verengten sich. »Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher.«
»Wie lange sind Sie schon... verheiratet?«
Sein Tonfall ließ deutlich erkennen, daß er seine Zweifel an Willows Ehestatus hatte. Der Ausdruck seiner Augen wiederholte die
Weitere Kostenlose Bücher