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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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den Schnee von
der Jacke.
    Jill kramte auf der Suche nach einem Vierteldollar in ihrem
Portemonnaie. Es war überhaupt kein Kleingeld darin, aber sie
hoffte, auf dem Boden ihrer Handtasche noch ein paar Dimes zu
finden.
    Die Tür des zweiten Aufzuges glitt auf, und die Frau mit den
Fäustlingen eilte hinein.
    Jill fand einen Quarter auf dem Boden der Handtasche und
wählte Brads Nummer. Die Leitung war besetzt.
    Jetzt stand der erste Aufzug auf der Sechs. Der zweite stand unten
auf dem Parkdeck.
    Sie wählte nochmals.
    Die Tür des zweiten Aufzuges ging auf. »Warten
Sie!« rief Jill und ließ versehentlich den Hörer
fallen. Er erwischte ihre Handtasche und verstreute deren Inhalt
über den Boden der Empfangshalle.
    Wieder öffnete sich die Eingangstür, und Schnee wirbelte
hinein. »Drücken Sie auf den Halteknopf«, sagte die
Frau in mittleren Jahren, die eben hereingekommen war. Sie trug ein
rotes Button am Mantelkragen, auf dem »JETZT… oder ein
andermal!« stand, und sie trug einen EDV-Ordner vor die Brust
gedrückt. Sie kniete sich auf den Boden und hob einen Kamm, zwei
Kugelschreiber und Jills Scheckbuch auf.
    »Vielen Dank«, sagte Jill froh.
    »Wir Schwestern müssen zusammenhalten«, erwiderte
die Frau ernst. Sie stand auf und gab Jill, was ihr gehörte. Sie
gingen in den Aufzug. Die Frau mit den Fäustlingen hielt ihnen
die Tür auf. Im Aufzug war noch eine junge Frau; sie trug einen
Pullover und blaue Moonboots.
    »Auf Sechs, bitte«, sagte Jill atemlos, während sie
sich bemühte, alles in ihre Handtasche zurückzustopfen.
»Vielen Dank, daß Sie gewartet haben. Ich fürchte,
ich bin heute ein wenig durcheinander.« Die Tür begann,
sich zu schließen.
    »Warten Sie!« rief jemand, und eine junge Frau in
Schneiderkostüm und hochhackigen Schuhen, die einen großen
Umschlag aus Manila-Papier unter dem Arm trug, quetschte sich durch
den Türspalt. »Auf Sechs, bitte«, sagte sie. »Der
Wind draußen muß zwanzig Grad kalt sein. Ich möchte
wirklich wissen, was in mich gefahren ist, daß ich bei diesem
Wetter herkommen und Brad besuchen muß.«
    »Brad?« echote die junge Frau mit den roten
Fäustlingen.
    »Brad?« sagte Jill.
    »Brad?« sagte die junge Frau in den Moonboots.
    »Brad McAfee«, bekräftigte die Frau mit dem
»JETZT… oder ein andermal«-Button grimmig.
    »Ja«, sagte die junge Frau mit den hohen Absätzen
verwundert, »kennen Sie ihn denn alle? Er ist mein
Verlobter.«
     
    Sally tippte ihren Sicherheitscode ein, betrat den Aufzug und
drückte auf den Knopf für die sechste Etage. »Ulric,
ich möchte Ihnen erklären, was heute morgen geschehen
ist«, sagte sie, sobald sich die Tür geschlossen hatte.
    Sie hatte ihre kleine Ansprache den ganzen Weg zu Ulrics
Appartementhaus geübt. Sie hatte eine Ewigkeit gebraucht, um
herzukommen. Die Scheibenwischer waren festgefroren gewesen, und zwei
Autos waren im Schnee ausgeglitten und hatten einen Stau verursacht.
Sie hatte den Wagen abstellen und zu Fuß durch den
Orientalischen Garten gehen müssen; aber immer noch hatte sie
nicht gewußt, was sie sagen sollte.
    »Mein Name ist Sally Mowen, und ich erzeuge Sprache.«
Das war ganz schlecht. Sie konnte ihm nicht erzählen, wer sie
war. Sobald er hören würde, daß sie die Tochter des
Chefs war, würde er ihr keinen Augenblick mehr zuhören.
    »Ich spreche Englisch, aber ich habe Ihren Aufruf gelesen;
und Sie haben geschrieben, daß Sie jemanden suchen, der Sprache
generieren kann.« Das war auch nicht viel besser. Er würde
fragen: »Welchen Aufruf?«, und sie würde den Zettel
aus der Tasche kramen, und er würde sagen: »Wo haben Sie
das gefunden?«, und sie würde erklären müssen,
was sie in dem Baum gesucht hatte. Vielleicht würde sie auch
erklären müssen, woher sie wußte, daß er Ulric
Henry war, und was sie mit seinem Ausdruck und seinem Bild machte;
und er würde niemals glauben, daß alles nur eine
Häufung von Zufällen war.
    Die Ziffer Sechs leuchtete auf, und die Tür des Aufzuges
öffnete sich. Ich kann nicht, dachte Sally und
drückte auf den Parterre-Knopf. Auf halber Strecke nach unten
überlegte sie sich, daß sie sagen konnte, was zu sagen sie
von Anfang an vorgehabt hatte. Sie drückte wieder auf die
Sechs.
    »Ulric, ich liebe dich«, flüsterte sie vor sich
hin. »Ulric, ich liebe dich.« Die Sechs leuchtete auf. Die
Tür öffnete sich. »Ulric…«, sagte sie. Er
stand vor dem Aufzug und starrte sie an.
    »Wollten Sie nicht etwas sagen?« fragte er. »Etwas
wie ›ich

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