Brandzeichen
gewesen. Um halb zwei, als Nora bereits eine halbe Stunde überfällig war, kam in Travis ein unangenehmes, bohrendes Gefühl auf. Einstein begann unruhig auf und ab zu laufen. Fünf Minuten später war der Retriever der erste, der den Wagen von der Hauptstraße in den Zufahrtsweg einbiegen hörte. Er hetzte die Verandatreppe hinunter und wartete am Rand der Zufahrt. Travis wollte Nora nicht merken lassen, daß er beunruhigt gewesen war, weil das mangelnde Vertrauen in sie bedeutet hätte, mangelndes Vertrauen in ihre Fähigkeit, selbst auf sich aufzupassen, eine Fähigkeit, die sie tatsächlich besaß und sehr hoch einschätzte. Also blieb er in seinem Schaukelstuhl sitzen, die Flasche Corona in der Hand. Als der blaue Toyota auftauchte, seufzte er erleichtert. Als sie am Haus vorbeifuhr, hupte sie. Travis winkte, als hätte er nicht unter einer bleiernen Decke der Furcht dagesessen. Einstein lief zur Garage, um sie zu begrüßen, und eine Minute später tauchten sie beide wieder auf. Sie trug Blue-jeans und ein gelb-weiß-kariertes Hemd, aber für Travis war sie gut genug angezogen, um inmitten mit Schmuck behängter Prinzessinnen in Abendkleidern über eine Tanzfläche zu schweben. Sie trat neben ihn, beugte sich zu ihm herunter und küßte ihn. Ihre Lippen waren warm.
»Hab' ich dir schrecklich gefehlt?« fragte sie.
»Ohne dich war keine Sonne, kein Trällern der Vögel, keine Freude.« Er sagte es scherzhaft, locker, und doch kam es fast ernst heraus.
Einstein rieb sich an ihr und winselte, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und dann blickte er mit schiefgelegtem Kopf zu ihr auf und wuffte leise, als wollte er sagen: NUN?
»Er hat recht«, sagte Travis.
»Du bist nicht fair. Mach es nicht so spannend.«
»Ich bin«, sagte sie.
»Du bist?« Sie grinste.
»Schwanger.«
»Ach du liebe Güte!« sagte er.
»Guter Hoffnung. Gesegneten Leibes. In anderen Umständen. Eine künftige Mutter.« Er stand auf und legte die Arme um sie, hielt sie an sich gedrückt und küßte sie und sagte:
»Doktor Weingold irrt wohl nicht?« Darauf sie:
»Nein, er ist ein guter Arzt.« Und Travis:
»Er muß dir doch gesagt haben, wann es soweit ist.«
»Wir können das Baby in der dritten Juniwoche erwarten.«
Travis darauf dümmlich:
»Schon im nächsten Juni?« Sie lachte und sagte:
»Ich habe nicht vor, dieses Baby ein ganzes zusätzliches Jahr mit mir herumzutragen.«
Schließlich bestand Einstein darauf, auch eine Chance zu bekommen, sich an sie zu drücken und sein Entzücken zum Ausdruck zu bringen.
»Ich hab' uns eine eisgekühlte Flasche Schampus zum Feiern mitgebracht«, sagte sie und hielt ihm eine Tüte hin. Als er in der Küche die Flasche aus der Tüte nahm, sah er, daß es moussierender Apfelmost war, alkoholfrei.
»Ist das keine Feier, die den besten Champagner verdient?« fragte er. Während sie Gläser aus dem Schrank holte, meinte sie:
»Wahrscheinlich benehme ich mich kindisch, die Weltmeisterin der Angst... Aber ich will nichts riskieren, Travis. Ich hatte nie gedacht, daß ich einmal ein Baby haben würde, nie gewagt, davon zu träumen. Und jetzt habe ich dieses dämliche Gefühl, daß es mir nie bestimmt war, es zu haben, und daß man es mir wegnehmen wird, wenn ich nicht jede denkbare Vorsichtsmaßregel treffe und nicht alles ganz genau richtig mache. Also werde ich keinen Schluck mehr trinken, bis es es geboren ist. Ich werde nicht zuviel rotes Fleisch essen, dafür mehr Gemüse. Geraucht hab' ich nie, also macht mir das keine Sorgen. Ich werde genausoviel zunehmen, wie Doktor Weingold mir gesagt hat, und ich werde meine gymnastischen Übungen machen und das perfekteste Baby zur Welt bringen, das die Welt je gesehen hat.«
»Natürlich wirst du das«, sagte er und füllte die Weingläser mit Apfelmost und schüttete etwas davon für Einstein in eine Schüssel.
»Nichts wird schiefgehen«, sagte sie.
»Nichts«, sagte er. Sie brachten einen Toast auf das Baby aus - und auf Ein stein, der Pate, Onkel, Großvater und pelzbedeckter Schutzengel in einer Person sein würde, und der beste, den man sich denken konnte.
Den Outsider erwähnte niemand. Später, nachts im Bett, nachdem sie sich geliebt hatten und einander umfangen hielten und dem Gleichklang ihrer Herzen lauschten, wagte er schließlich zu sagen:
»Vielleicht sollten wir wegen dem, was auf uns zukommt, nicht gerade jetzt ein Baby haben.«
»Psst!« machte sie.
»Aber...«
»Wir haben dieses Baby nicht geplant«, sagte
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