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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Grace< bereits herumgedreht hatte und jetzt auf die Hafenmündung zustrebte. Keine Lichter achtern, am Ruder, nur ein kleines Licht ganz vorn. Herrgott, der wollte abhauen! Als sie sämtliche hundert Leinwände ausgepackt, ein paar aufgehängt und den Rest in das unbenutzte Schlafzimmer getragen hatte, waren sie am Verhungern.
    »Garrison ißt jetzt wahrscheinlich zu Abend«, sagte Nora.
    »Ich will ihn nicht stören. Rufen wir ihn nach dem Essen an.« In der Kammer holte Einstein Buchstaben aus den Plastik-schächten und buchstabierte ihnen eine Nachricht: ES IST DUNKEL. Überrascht und über seine ganz untypische Sorglosigkeit beunruhigt, hastete Travis von Zimmer zu Zimmer, schloß die Läden und schob die Bolzen vor. Von Noras Gemälden fasziniert und von der Freude, die deren Ankunft bewirkte, mitgerissen, war ihm nicht einmal aufgefallen, daß die Nacht hereingebrochen war. Auf halbem Weg zur Hafenmündung und überzeugt, die Distanz und das Dröhnen der Maschine schütze sie jetzt vor elektronischen Lauschern, sagte Garrison:
    »Bring mich dicht an die äußere Spitze des nördlichen Wellenbrechers am Rand des Hafenbeckens.«
    »Bist du auch ganz sicher?« fragte Della besorgt.
    »Schließlich bist du kein Teenager mehr.« Er tätschelte ihren Po und sagte:
    »Nein, ich bin besser.«
    »Träumer.« Er küßte sie auf die Wange, schob sich an der Steuerbordreling nach vorne und machte sich sprungbereit. Er trug eine dunkelblaue Badehose. Eigentlich hätte er einen Taucheranzug anhaben sollen, weil das Wasser wahrscheinlich kalt sein würde; aber um den Wellenbrecher würde er wohl herumschwimmen können, und dann würde er sich an der Nordseite aus dem Wasser ziehen, wo man ihn vom Hafen aus nicht sehen konnte. Das alles würde in wenigen Minuten vorbei sein, lan ge bevor das kalte Wasser ihm zuviel Körperwärme entzogen hatte.
    »Wir bekommen Gesellschaft!« rief Della vom Steuer aus. Er blickte nach hinten und sah, daß ein Boot der Hafenstreife sich von der südlichen Pier löste und auf der Backbordseite auf sie zukam. Die werden uns nicht aufhalten, dachte er, dazu haben sie kein Recht. Aber er mußte von Bord gehen, ehe die Streife achtern Stellung bezog; von hinten würden sie es sehen, wenn er über die Reling sprang. Solange sie backbord waren, deckte die >Amazing Grace< sein Von-Bord-Gehen, und das phosphoreszierende Kielwasser des Bootes würde die ersten paar Sekunden auch nicht erkennen lassen, daß er um die Spitze des Wellenbrechers herumschwamm. So lange würde die Streife wohl ihre Aufmerksamkeit auf Dellas Weiterfahrt konzentrieren. Sie fuhren mit der höchsten Geschwindigkeit, die Della sich zutraute, nach draußen. Das Boot arbeitete sich mit genügend Wucht durch die leicht kabbelige See, so daß Garrison sich an der Reling festhalten mußte. Trotzdem schien es, als bewegten sie sich enttäuschend langsam an der Steinmauer des Wellenbrechers entlang. Und die Hafenstreife rückte näher. Aber Garrison wartete. Er wartete, weil er nicht hundert Meter vor dem Ende des Hafenbeckens ins Wasser wollte. Wenn er zu bald sprang, konnte er nicht bis zur äußeren Spitze des Wellenbrechers schwimmen und ihn umrunden. Vielmehr mußte er dann geradenwegs auf den Wellenbrecher zuschwimmen und über ihn klettern, und die Beobachter würden ihn sehen können. Jetzt war die Streife auf hundert Meter herangekommen - er konnte sie sehen, wenn er sich aus seiner geduckten Stellung erhob und über das Kabinendach hinwegspähte. Jetzt schwang sie hinten herum, und Garrison konnte nicht länger warten ...

    »Die Spitze!« rief Della vom Steuer aus. Er warf sich über die Reling ins dunkle Wasser, weg vom Boot.
    Die See war kalt, so kalt, daß sie ihm den Atem aus den Lungen preßte. Er sank, konnte die Oberfläche nicht finden, wurde von Panik erfaßt, schlug um sich und brach schließlich wieder zur Oberfläche durch, rang nach Luft.
    Die >Amazing Grace< war noch überraschend nahe. Es kam ihm vor, als wäre er eine Minute oder länger unter der Wasseroberfläche gewesen, aber vermutlich hatte es nur ein oder zwei Sekunden gedauert, weil sein Boot noch nicht weit weg war. Auch die Hafenstreife war nahe, und er erkannte, daß selbst das aufgewühlte Kielwasser der >Amazing Grace< ihm nicht genügend Deckung bot; also holte er tief Luft und tauchte wieder, blieb unten, so lange er konnte. Als er wieder heraufkam, waren Della und ihre Verfolger an der Hafenmündung vorbei, schwenkten nach Süden, und er war vor

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