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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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bildeten. Auf dem Weg zum Wagen mußte sie durch einen Miniaturfluß waten, und ihre Schuhe waren binnen Sekunden triefend naß. Als sie den Pick-up erreichte, sah sie einen Mann aus einem roten Honda steigen, der neben ihr parkte. Der Mann fiel ihr nicht sonderlich auf -nur daß er sehr groß war, im Verhältnis zu dem Kleinwagen, und ganz und gar nicht für den Regen gekleidet. Er trug Jeans und einen blauen Pullover, und Nora dachte: Der Arme wird bis auf die Haut naß werden. Sie öffnete die Tür auf der Fahrerseite und schickte sich an einzusteigen. Aber ehe sie sich's versah, drängte der Mann im blauen Pullover sich hinter ihr hinein, schob sie über den Sitz und setzte sich selbst hinters Steuer. Er sagte:
    »Wenn du schreist, Miststück, blas' ich dir ein Loch in den Bauch.« Erst jetzt bemerkte sie, daß er ihr einen Revolver in die Seite bohrte. Unwillkürlich wollte sie schreien, versuche n, über den Sitz weiterzurutschen, zur Beifahrertür hinaus. Aber irgend etwas in seiner Stimme, die brutal und dunkel war, ließ sie zögern. Es klang so, daß sie erkannte, er würde sie eher in den Rücken schießen, als sie entkommen lassen. Er knallte die Fahrertür zu, und jetzt waren sie allein im Wagen, fern jeder Hilfe und durch den Regen, der an den Fenstern herunterströmte und das Glas undurchsichtig machte, praktisch allen Blicken entzogen. Doch das hatte ohnehin nichts zu besagen. Der Parkplatz war verlassen und von der Straße aus nicht einsehbar, so daß sie selbst außerhalb des Wagens niemanden gehabt hätte, an den sie sich hätte wenden können. Er war sehr groß und muskulös; aber was ihr an ihm Angst machte, war nicht seine Größe. Sein breites Gesicht wirkte ruhig, praktisch ausdruckslos, und diese Gelassenheit, die überhaupt nicht der Situation angemessen war, machte Nora Angst. Und seine Augen waren noch schlimmer: grüne Augen  - und kalt.
    »Wer sind Sie?« fragte sie, bemüht, ihre Furcht zu verbergen, weil sie sicher war, daß sichtbare Angst ihn erregen würde. Er schien auf einem ganz schmalen Grat zu balancieren.
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Ich will den Hund.« Sie hatte gedacht: Raub. Sie hatte gedacht: Vergewaltigung. Sie hatte gedacht: psyc hopathischer Killer. Aber keinen Augenblick lang hatte sie gedacht, daß er ein Agent der Regierung sein könnte. Und doch, wer sonst würde nach Einstein suchen? Sonst wußte doch niemand, daß der Hund existierte.
    »Wovon reden Sie?« fragte sie. Er bohrte ihr den Lauf des Revolvers tiefer in die Seite, bis es weh tat. Sie dachte an das Baby, das in ihr heranwuchs.
    »All right, okay. Sie wissen offensichtlich über den Hund Bescheid, also hat es keinen Sinn, irgendwelche Spielchen mit Ihnen zu treiben.«
    »Gar keinen Sinn.« Er redete so leise, daß sie ihn im Dröhnen des Regens, der auf das Dach trommelte und gegen die Windschutzscheiben peitschte, kaum hören konnte. Er beugte sich zu ihr hinüber, schob ihr die Kapuze vom Kopf, zog den Reißverschluß auf und griff mit der Hand an ihre Brüste, ihren Bauch. Einen Augenblick lang dachte sie schreckerfüllt, daß er sie doch vergewaltigen wollte. Aber er sagte nur:
    »Dieser Weingold ist Gynäkologe. Was hast du also für ein Problem? Irgendeine verdammte Geschlechtskrankheit, oder bist du schwanger?« Das Wort >Geschlechtskrankheit< spie er förmlich aus, als machte ihn das bloße Wort vor Ekel halb krank.
    »Sie sind kein Regierungsagent.« Sie sagte es rein instinktiv.

    »Ich hab' dich was gefragt, du Schlampe«, sagte er mit einer Stimme, die kaum lauter war als ein Wispern. Er beugte sich dicht zu ihr hinüber und bohrte ihr wieder den Lauf in die Seite. Die Luft im Wagen war stickig und feucht. Das sie umgebende Prasseln des Regens erzeugte im Verein mit der Feuchtigkeit in dem engen Raum eine fast unerträgliche beengende Atmosphäre.
    »Also, was ist?« fragte er.
    »Hast du Herpes, Syphilis, Tripper oder irgendeine andere Fäulnis? Oder bist du schwanger?« Da sie glaubte, daß die Schwangerschaft ihr vielleicht Rettung vor seiner Gewalttätigkeit brachte, sagte sie:
    »Ich bekomme ein Baby. Ich bin im dritten Monat schwanger.« Etwas geschah mit seinen Augen. Es war, wie wenn ein Hebel umgelegt wurde. Oder eine Bewegung in einem zarten Kaleidoskopmuster aus Glasstücken in derselben Schattierung von Grün. Nora wußte: Indem sie ihre Schwangerschaft zugegeben hatte, hatte sie das Allerschlimmste getan, das sie hatte tun können. Aber warum das so war, wußte sie nicht. Sie

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