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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dachte an die .38er-Pistole im Handschuhfach. Sie würde unmöglich den Handschuhkasten öffnen, sich die Waffe schnappen und ihn erschießen können, ehe er den Abzug seines Revolvers betätigte. Trotzdem würde sie dauernd wachsam bleiben, um eine Gelegenheit zu erspähen, ein kurzes Erlahmen seiner Aufmerksamkeit, das ihr die Chance bot, sich ihre Waffe zu holen. Plötzlich war er über ihr, und wieder glaubte sie, er werde sie am hellichten Tage vergewaltigen, wohl im Schutz des Regens, aber immerhin am hellichten Tage. Dann begriff sie, daß er nur mit ihr den Platz wechselte, sie hinters Steuer zwang, während er den Beifahrersitz einnahm, wobei er die ganze Zeit den Lauf seiner Waffe auf sie gerichtet hielt.
    »Fahr zu!« sagte er.
    »Wohin?«
    »Dorthin, wo du wohnst.«
    »Aber...«
    »Halt den Mund und fahr!« Jetzt befand sie sich auf der dem Handschuhfach entfernten Seite. Um an dieses heranzukommen, würde sie über ihn hinweggrcifen müssen. So unaufmerksam würde er nie sein.
    Fest entschlossen, ihre galoppierende Furcht im Zaum zu halten, erkannte sie, daß sie gleichzeitig verhindern mußte, total durchzudrehen. Sie ließ den Motor an, fuhr aus dem Parkplatz heraus und bog auf der Straße nach rechts. Das hämmernde Klatschen der Scheibenwischer war fast ebenso laut wie ihr Herzschlag. Sie wußte nicht, wieviel von dem erdrückenden Geräusch vom Regen herrührte und wieviel vom Dröhnen des Blutes in ihren Ohren. Straße nach Straße hielt Nora nach einem Polizisten Ausschau - obwohl sie keine Ahnung hatte, was sie tun würde, falls sie einen entdeckte. Aber sie brauchte das nicht zu Ende zu denken, denn nirgends waren Polizisten zu sehen. Bis sie Carmel hinter sich gelassen und die Pacific Coast Highway erreicht hatten, trieb der Wind nicht nur den Regen gegen die Windschutzscheibe, sondern immer wieder Zypressen- und Fichtennadeln von den riesigen alten Bäumen, die die Straßen der Stadt schützten. Als sie später in südlicher Richtung an der Küste entlang durch weniger dicht besiedelte Gegenden fuhren, gab es keine Bäume mehr, deren Äste über die Straße hingen; dafür traf der Wind, der vom Meer hereinwehte, den Pick-up mit voller Gewalt. Nora spürte einige Male, wie er am Steuer riß. Der Regen, der jetzt direkt vom Meer hereinpeitschte, schlug so hart auf dem Wagen auf, daß sie glaubte, er müsse Beulen im Blech hinterlassen. Nach wenigstens fünf Minuten des Schweigens, die ihr wie eine Stunde vorkamen, war sie nicht länger fähig, seinem Befehl zu gehorchen und den Mund zu halten.
    »Wie haben Sie uns gefunden?«
    »Ich habe euer Haus mehr als einen Tag lang beobachtet«, sagte er mit jener kalten, ruhigen Stimme, die so gut zu dem ausdruckslosen Gesicht paßte.
    »Als du heute morgen wegfuhrst, bin ich dir gefolgt, weil ich hoffte, du würdest mir eine Chance geben.«
    »Nein, ich meine, wie haben Sie erfahren, wo wir wohnen?« Er lächelte.
    »Van Dyne.«
    »Dieser schmierige Verräter.«
    »Besondere Umstände«, versicherte er ihr.
    »Der große Mann in San Francisco war mir einen Gefallen schuldig, also hat er Van Dyne unter Druck gesetzt.«

    »Der große Mann?«
    »Tetragna.«
    »Wer ist das?«
    »Du weißt wohl überhaupt nichts, wie?« sagte er.
    »Bloß wie man Babys macht, hm? Das weißt du, stimmt's?« Im harten, höhnischen Klang seiner Stimme gab es nicht nur sexuelle Untertöne: Es war düsterer, fremdartiger, erschreckender. Sie hatte solche Angst vor der Spannung, die sie jedesmal in ihm fühlte, wenn er auf das Thema Sex kam, daß sie nicht wagte, ihm Antwort zu geben.
    Vor ihnen hatte sich jetzt dünner Nebel aufgebaut, und sie schaltete die Schweinwerfer ein. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt jetzt der vom Regen gepeitschten Straße, und sie spähte mit zusammengekniffenen Augen durch die schmierige Windschutzscheibe.

    »Du bist sehr hübsch«, sagte er.
    »Wenn ich ihn irgendwo reinstecken wollte, dann bei dir.«
    Nora biß sich auf die Unterlippe.

    »Aber so hübsch du bist«, fuhr er fort,
    »du bist wie alle anderen, wette ich. Wenn ich ihn dir reinstecke, wird er mir verfaulen und abfallen, weil du krank bist wie alle anderen oder? Jaah. Du bist es. Sex ist tot. Ich gehöre anscheinend zu den wenigen, die das wissen, obwohl es überall Beweise gibt. Sex ist tot. Aber du bist sehr hübsch ...«
    Sie spürte, wie sich ihre Kehle verengte. Es fiel ihr schwer, tief Atem zu holen.
    Plötzlich war seine Schweigsamkeit wie verflogen. Er redete schnell, immer noch

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