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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mit weicher Stimme und entnervend ruhig - wenn man bedachte, wie verrückt es war, was er sagte -, aber sehr schnell:
    »Ich werde größer sein als Tetragna, und bedeutender. Ich habe Dutzende von Leben in mir. Ich habe von mehr Leuten Energie in mich aufgenommen, als du dir vorstellen kannst. Ich habe den großen Augenblick erlebt, erlebt, wie es sssnappp macht. Das ist mein Talent. Wenn Tetragna tot ist und weg, dann werde ich noch da sein. Wenn alle tot sind, die jetzt leben, werde ich immer noch da sein, weil ich unsterblich bin.«
    Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Er war aus dem Nichts aufgetaucht, wußte irgendwie über Einstein Bescheid und war wahnsinnig, und es schien nichts zu geben, was sie tun konnte. Das war unfair, und ihr Zorn darüber war ebenso groß wie ihre Angst. Sie hatten sich so sorgfältig auf den Outsider vorbereitet, hatten alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um sich dem Zugriff der Regierung zu entziehen - wie aber hätten sie sich darauf vorbereiten sollen? Es war einfach nicht fair.
    Wieder verstummt, starrte er sie eine Minute lang, vielleicht auch länger, eindringlich an - eine weitere Ewigkeit. Sie spürte den Blick seiner eisiggrünen Augen körperlich, wie sie das Streichen einer eiskalten Hand auf ihrer Haut gespürt hätte.

    »Du weißt nicht, wovon ich rede, nicht wahr?« sagte er.
    »Nein.« Weil er sie hübsch fand, beschloß er, es ihr zu erklären.
    »Ich habe es bis jetzt nur einem Menschen gesagt, und der hat sich über mich lustig gemacht. Er hieß Danny Slowicz, und wir haben beide für die Carramazza-Familie in New York gearbeitet, die größte der fünf Mafia-Familien. Ein bißchen Muskelarbeit  -hier und da Leute umgebracht, die umgebracht werden mußten.« Nora spürte die Übelkeit in sich aufsteigen, weil er nicht nur verrückt, nicht nur ein Killer war, sondern auch noch ein verrückter professioneller Killer. Er merkte ihre Reaktion nicht, sein Blick wanderte von der regengepeitschten Straße zu ihrem Gesicht, und er fuhr fort.
    »Siehst du, wir waren beim Abendessen in diesem Restaurant, Danny und ich, und spülten unsere Muscheln mit Valpolicella runter, und ich erklärte ihm, daß mir bestimmt sei, lange zu leben, weil ich die Fähigkeit besaß, die Lebensenergien der Leute, die ich erledigte, in mich aufzunehmen. Ich hab' zu ihm gesagt: >Sieh mal, Danny, die Leute sind wie Batterien, wie lebende Batterien, angefüllt mit dieser geheimnisvollen Energie, die wir Leben nennen. Wenn ich einen allemache, dann wird seine Energie meine Energie, und ich werde stärker. Ich bin ein Bulle. >Danny<, sag' ich, >schau mich an - bin ich ein Bulle oder nicht? Und ich muß ein Bulle sein, weil ich dieses Talent besitze, die Energie anderer in mich aufzunehmen. < Und weißt du, was Danny darauf sagt?«
    »Was?« fragte sie benommen.
    »Nun, Danny hat immer großen Wert auf das Essen gelegt, also schaut er nicht von seinem Teller hoch, das Gesicht in seinem Fraß, bis er noch ein paar Muscheln weggeputzt hat. Und dann schaut er auf, während ihm die Muschelsoße von den Lippen und vom Kinn tropft, und sagt: >Ja, Vince, wo hast du dann diesen Trick gelernt, hm? Wo hast du gelernt, wie man Lebensenergie in sich aufnimmt?< Und ich sag' drauf:
    »Nun, das ist mein Talent.< Und er: >Du meinst, wie vom Herrgott?< Darüber muß ich nachdenken, und dann sag' ich: >Wer weiß, woher es kommt? Es ist einfach mein Talent, so wie Sinatras Stimme ein Talent ist.< Und Danny sagt: >Sag mal - angenommen, du erledigst einen Typen, der Elektriker ist. Nachdem du seine Energie in dich aufgenommen hast - weißt du dann plötzlich, wie man die Leitungen in einem Haus neu verlegt?< Ich bemerke immer noch nicht, daß er sich über mich lustig macht. Ich denk, es ist eine ernste Frage, also erklär' ich ihm, wie ich Lebensenergie aufnehme, nicht die Person und nicht all das, was der Bursche im Hirn hat - bloß seine Energie. Und dann sagt Danny: >Wenn du also so 'nen Knaben vom Jahrmarkt wegbläst, dann heißt das nicht, daß du plötzlich den Drang verspürst, Hühnern die Köpfe abzubeißcn?< Und in dem Augenblick hab' ich gewußt, daß Danny dachte, ich war' entweder besoffen oder verrückt. Also aß ich meine Muscheln auf und redete nicht mehr über meine Gabe. Und das war das letzte Mal, daß ich jemandem davon erzählte, bis ich es jetzt dir erzählt habe.« Er hatte sich selbst Vince genannt, also kannte sie jetzt seinen Namen: Welchen Nutzen das bringen würde, war nicht

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